Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

und Polizei, der Chef der gesamten Exekutive des Reichs erklärt die Veröffentlichungen der preußischen Regierung für olle Kamellen und bestätigt, daß die Massierung der S.A. an bestimmten Punkten mit seinem Wissen vorgenommen worden sei.

Es ist nicht einfach, diese Gedankengänge des Ministers zum Schutze unsrer Sicherheit mit den Mitteln der Logik abzuleuchten. Groener behauptet, es hätten keine Bedenken bestanden, „weil dadurch die Verantwortung der obersten S.A.-Leitung für alle Vorkommnisse klar festgestellt worden sei.“ Der Herr Minister vergißt, daß die „Vorkommnisse“, die er mit Recht befürchtete, erheblich erleichtert wurden, indem man den Bürgerkriegsgarden die Sammlung gestattete. Und was wäre wohl passiert, wenn, was durchaus möglich sein konnte, in einzelne der S.A.-Kasernen eine falsche Parole gelangt wäre? Dann hätte es Blutvergießen gegeben, und ob der Brand hätte lokalisiert werden können, ob nicht der ausgezeichnete Presseapparat der Rechten sofort einen „roten Aufstand“ daraus gemacht hätte, das bleibt eine offene Frage.

Zwei Rechtsputsche hat die Deutsche Republik bisher erlebt. Im März 1920 marschierte Ehrhardt von Döberitz auf Berlin, Ende September 1923 wollte die Schwarze Reichswehr von Küstrin aus vorstoßen. In beiden Fällen begann die Meuterei unter den Augen von Ministern, die sahen und nicht glauben wollten. Noske hat bis zuletzt auf Lüttwitz und Ehrhardt geschworen, und Geßler mußte seinem vaterländischen Herzen viel Gewalt antun, ehe er endlich in dem berühmten Erlaß vom 1. Oktober seine Schöpfung, die heimliche Armee, in einen „national-bolschewistischen Haufen“ verwandelte. Groener hat von dem Mißgeschick seiner Vorgänger nichts gelernt. Nicht sein Verdienst ist es, wenn alles gut gegangen ist.

Es gibt noch immer genug Sozialisten und Demokraten, die in Groener den starken Mann der Republik sehen, wenn sie auch in Einzelheiten mit Kritik nicht zurückhalten. Wir teilen diese Meinung nicht, wir haben oft genug klar herausgesagt, daß wir ihn für einen Gegner halten und daß er deshalb als solcher zu behandeln ist. Ein wie schwerer Gegner Herr Groener ist, das haben grade wir erfahren, und wir tragen allzu deutlich die Spuren einer frühern Auseinandersetzung mit ihm. Aber hier sind klare Verhältnisse, wir stehen Front gegen Front; wir wissen, woran wir sind. Für seine Verbündeten ist Herr Groener viel gefährlicher, denn sie wissen es nicht. Und seinen Verbündeten hat er, seit er im Innenministerium regiert, einen Rippenstoß nach dem andern versetzt.

Von Wohlunterrichteten wird immer wieder versichert, im Reichswehrministerium wirtschaftete ein militärisches Banausentum, das, unberührt von den Prinzipien bürgerlicher Politik, in der Privatarmee Hitlers nicht etwa die Bedrohung des republikanischen Staates sieht, sondern eine gut gedrillte Truppe, die für den Fall des Falles schon verwendbar ist. Vielleicht gestatten uns Die in Genf doch einmal eine Aufrüstung, und dann haben wir da gleich diese prächtigen braunen Kerle. Das mag uns schlichte Zivilisten aberwitzig anmuten, dennoch kann man von Offizieren immer wieder solche Meinungen hören. Soll die Deutsche Republik einer unkontrollierbaren

Empfohlene Zitierweise:
Carl von Ossietzky: Gang zwei. Berlin: Verlag der Weltbühne, 22. März 1932, Seite 430. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gang_zwei_4.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)