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Das Fazit: nach dem 10. April gibt es keinen Hindenburgblock mehr, und wenn die Sozialdemokraten, die neben dem Zentrum zwischen lauter zersplitterten und versinkenden Mittelparteien die kompakte Masse darstellen, ihren Anteil am Triumph fordern sollten, dann wird ihnen kalt bedeutet werden, daß sie, indem sie Hindenburg wählten, nur ihre verdammte vaterländische Pflicht und Schuldigkeit getan hätten. Dann wird weiter notverordnet werden, dann kann der Sturm auf die Sozialpolitik, auf die Arbeitslosenversicherung von neuem losgehen. Die Sozialdemokratie aber wird das Nachsehen haben, weil sie über kein einziges Druckmittel mehr verfügt, weil sie mit ihrer Entscheidung nicht nur Hindenburg sondern auch Brüning und Groener neu bestätigt hat.

Der ,Vorwärts’ schweigt sich über diese unangenehmen Aspekte einstweilen aus. Dafür finden aber einige jener bürgerlichen Republikaner, die sich ganz besonders für die Kandidatur Hindenburg eingesetzt haben, die Sprache der Politik langsam wieder. Das ist gewiß löblich, aber es wäre mit größerm Nutzen vor dem 13. März geschehen. Nach neune is alles aus. Nach der Wahl kann man keine Forderungen mehr anmelden. Es gibt in der Politik nichts überflüssigeres als den Wähler, der eben seinen Zettel in die Urne geworfen hat.

Daß ein so kluger Mann wie Georg Bernhard das nicht weiß! Er bemerkt im ,8 Uhr Abend-Blatt’ mit Recht, daß jene agrarischen und industriellen Schichten, die von der Regierung Brüning auf Kosten des gesamten Volkes gepäppelt worden sind, sich zu Hitler und Duesterberg geschlagen haben, während die Leute von links die Republik höher stellten als das Eigeninteresse. „Will die Regierung der Republik“, so fragt Bernhard, „nun nicht endlich die Konsequenz aus diesem offenbaren Ergebnis der Präsidentenwahl ziehen?“ Da muß man mit dem Dichter sagen: „Der Rabe krächzt: Es ist zu spät!“

Lieber Herr Bernhard, Sie haben uns neulich hart gerüffelt wegen unsrer Parole für Thälmann. Und doch war das die einzige Möglichkeit, um herauszukommen aus dem fatalen Wechselspiel von intellektuellem Opfer und Enttäuschung, das sich republikanische Politik nennt. Wir haben die Situation vorausgesehen, wo die sozialistischen und republikanischen Hindenburgwähler mit leeren Händen dastehen würden. Wir haben uns rechtzeitig und freiwillig ausgekreist, denn wir hatten von vornherein keine Neigung, die Schar der Leidtragenden bei dem Begräbnis der Illusionen zu vergrößern. Herr von Hindenburg hat volle Handlungsfreiheit, und ihn kann auch kein Vorwurf treffen. Er hat nichts versprochen, denn die Sozialisten und Republikaner haben ihm kein Versprechen abverlangt. Während Goebbels „Ware für sein Geld“ verlangte, war für euch die Kandidatur Hindenburgs eine Sache des Glaubens und Gemütes.

Heute gibt es nichts zu fordern. „Allzulange ist die Politik derer betrieben worden, die, wie sich gezeigt hat, doch Hitler wählen. Jetzt verlangen die Hindenburg-Wähler ihr Recht,“ so schreibt Bernhard, und gewiß stimmen dem viele Hunderttausende zu. Einen Dreck wird man euch geben. Gearbeitet

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Carl von Ossietzky: Gang zwei. Berlin: Verlag der Weltbühne, 22. März 1932, Seite 428. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gang_zwei_2.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)