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Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267

Kriminalordnungen, z. B. die Bamberger vom Jahr 1507 oder die chursächsische von 1577, sezten auf Bündnisse mit dem Teufel, auch ohne Schädigung anderer Personen, den Feuertod, auf Schaden durch Zauberei ohne Teufelsbündniß, Tod durch’s Schwert. In der Praxis stellte es sich jedoch heraus, daß ausgezeichnete und unbußfertige Hexen lebendig verbrannt, reumüthige aber geköpft, gehenkt oder erstickt wurden.

Nach dem canonischen Recht war Vermögensconfiskation eine Strafe der Zauberei; eine Stelle in Kaiser Karls Halsgerichtsordnung wurde auch in dieser Richtung verdreht und gedeutet, und wenn es auch in der Theorie eine Streitfrage blieb, so ward dagegen in der Praxis entweder geradezu das Vermögen für verfallen erklärt oder doch durch die großen Prozeßkosten vollständig geplündert. Ersteres war mehr in katholischen, lezteres mehr in protestantischen Ländern der Fall, und lieferte namentlich in den erstern, wie später gezeigt werden wird, ein bedeutende Quelle von Einnahmen. Es bedarf dabei keiner weitern Ausführung, daß Haß, Rachsucht, Habgier in den Hexenprozessen den weitesten Spielraum fanden.

Den Juristen allein wäre es jedoch nie möglich geworden, die Greuel der Hexenprozesse so lange fortzusetzen, hatten sie nicht an den Theologen den kräftigsten Beistand gefunden. Die weiteste und furchtbarste Ausdehnung erhielten die Hexenprozesse in der lezten Hälfte des sechzehnten und in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts. Dieser Zeitraum hatte aber vor Allem eine theologische, und zwar durch die Parteien für und wider die Reformation eine höchst leidenschaftliche theologische Richtung. Beide sich sonst so schroff entgegenstehenden Parteien trafen in Einem Punkte zusammen, nämlich in der Vorstellung von der Persönlichkeit und von der Macht des Teufels. Der mangelhafte Zustand sämmtlicher Naturwissenschaften und die Furcht der wenigen hellern Köpfe, sich gegen die Theologen zu verfehlen, trugen nicht wenig dazu bei, die Finsterniß in Beziehung auf den Hexenglauben zu erhalten, und zwar in einer Periode, die gewöhnlich als die der rasch sich verbreitenden Aufklärung bezeichnet wird. Zu gleicher Zeit war der Glaube an theurgische und theosophische Magie, an Alchymie, Astrologie, durch die Bestrebungen der mystischen Rosenkreuzer nicht wenig begünstigt, allgemein verbreitet und von den höchsten Herrn und den ausgezeichnetsten Köpfen gehegt und gepflegt. Die Jurisprudenz war befangen in den Satzungen und Spitzfindigkeiten des römischen und canonischen Rechts, in den theologischen Begriffen der Zeit, in dialektischen Spielereien. Es ward nicht geforscht nach der Möglichkeit der Zauberei. Wenn also Protestanten und Katholiken den Hexenglauben aus gleichem Gesichtspunkt betrachteten, und wenn bei erstern Luther durch seine Annahme der Lehre vom Teufel nach St. Augustin hiezu nicht wenig beigetragen hatte, so erreichte dem ungeachtet das Wüthen gegen Hexen in protestantischen Ländern nie eine solche Höhe, wie in den Ländern katholischer und vorzugsweise geistlicher Fürsten. Als Beweis dieser Behauptungen mögen folgende kurze, größtentheils der Geschichte Schwabens und Frankens entnommene Angaben dienen.

In den alten württembergischen Landen scheint das Hexenwesen nur wenig Wurzel geschlagen zu haben. Nur aus Balingen, aus Kirchheim finden sich einzelne Fälle verzeichnet. In Güglingen wurde des berühmten Astronomen Keppler vierundsiebzigjährige Mutter i. J. 1620 vierzehn Monate lang als Hexe prozessirt. Nur ihrem Sohne, der ein Jahr lang hier verweilte und 400 Gulden opferte, verdankte sie ihre Rettung. Gleichergestalt verhält es sich in den meisten Reichsstädten, die größtentheils der evangelischen Lehre zugethan waren. Von Ulm z. B. ist dem Verfasser nur eine einzige Hexe bekannt geworden, ein fünfzehnjähriges Mädchen, das im Jahr 1680 hingerichtet wurde. Das hinterlassene Tagebuch des Meisters Franz, Scharfrichters von Nürnberg, erwähnt unter den von ihm zwischen den Jahren 1573 und 1615 hingerichteten 361 Maleficanten keiner Hexe und keines Zauberers. Eben so wenig sind von Heilbronn, von Hall Hexenprozesse bekannt. In Eßlingen erscheint der erste Hexenprozeß i. J. 1562, der durch Aufhetzung des Predigers Naogeorgius entstand, aber mit Freilassung der Angeklagten und einem ernsten Verweise des Predigers endigte. Dem ungeachtet mußte auf ein neues Geschrei des Naogeorgius abermals ein blödsinniges Weib eingezogen und, weil sie sich auf der Folter als Hexe bekannte, hingerichtet werden. Erst 1662, ein Jahr, in welchem auch anderwärts große Hexenverfolgungen ausbrachen, begann auch hier eine neue, aber blutige Hexenjagd, bei welcher 108 Personen in Untersuchung gezogen und 32 als Hexen und Zauberer hingerichtet wurden. Hiemit endigte hier dieses Unwesen. In Reutlingen fanden zu derselben Zeit Hexenbrände statt.

In Nördlingen hatten von 1590–94 nicht weniger als 32 ehrbare Bürgerfrauen den Scheiterhaufen als Hexen bestiegen, alle Gefängnisse waren mit andern Frauen, die von den Hingerichteten auf der Folter als Mitschuldige angegeben worden, angefüllt und sahen auch dem gräßlichen Feuertod entgegen, als diesen Greueln durch die ausnehmende und wunderbare Standhaftigkeit der auch als Hexe eingekerkerten dortigen Wirthin zur Krone, Maria Holl, aus Ulm gebürtig, ein Ziel gesezt wurde. In acht Verhören hatte sie sechs-und-fünfzigmal die Folter ausgehalten, ohne das verlangte Geständniß abzulegen. Als die Juristen ob solchem Starrsinn sich nicht mehr

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Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1844, Seite 939. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedrich_von_Rath_Hexenprozesse.pdf/7&oldid=- (Version vom 1.8.2018)