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Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267

Hexenprozesse.
(Fortsetzung.)

In solchem Sinne ließ Thomas gleich beim Beginn dieses Verhörs sich folgendermaßen vernehmen: „Er lobe und danke Gott, daß er ihn um seinetwillen leiden lasse, und das wolle er von Grund seines Herzens gern thun, auch sey er entschlossen, sein Leben gern herzugeben. Er sage nochmals, daß dieser Prozeß ein Blutbad, und glaube jezt noch viel mehr, daß es ein nichtiges Werk sey und daß es gar keine Hexenleute gebe, weil er dieses leider jezt mehr als zu viel erfahren. Er sage zum Ueberfluß bei seiner Seelen Heil, es geschehe den Leuten Unrecht.“ Darauf hat ihm Dr. Baumann geantwortet: „so wahr als Gott im Himmel, so geschehe ihm Recht.“ Thomas aber entgegnete: „So wahr als Gott am Stamm des Kreuzes für uns gestorben, so wahr als ich erschaffen bin, so wahr bin ich unschuldig! Wenn ein einziger Mensch solcher Gestalt und in diesem Falle (d. h. als des Hexenwerks kundig) in Mergentheim gefunden würde, so will ich Leib und Leben verloren haben und sterben. Ich weiß gar wohl, daß man von mir doch nicht ablassen wird, ich muß folglich gedenken, daß es Gottes Wille also ist. Ich frage, ob die Gelehrten nicht auch hierin irren können? Ich trage das Leiden und das Sterben Jesu Christi in meinem Leib.“

„Auf solche seine beharrliche Argumenta hin,“ heißt es weiter im Protokoll, „ist er dem Scharfrichter übergeben worden.“ – „Wenn ich ein solcher Mensch bin,“ rief er, „so will ich mich auch bei meiner Seele nicht peinigen lassen. Was mir geschieht, das geschieht dem Herrn Jesus Christus. Um deines bittern Leidens und Sterbens wegen verlasse mich nicht, mein Jesus!“

Er wurde hierauf gebunden, an der Leiter befestigt und mit angehängten Steinen aufgezogen. Da schrie er zum öftern, als er „ein Paternoster lang“ hing: „Herr Jesus Christus, der du vor mir gelitten, verlasse mich nicht und laß dein Leiden in mir nicht verloren gehen!“ Er flehte, man solle ihn herablassen, und als es geschehen, bat er um ein halbes Stündlein Bedenkzeit. Als auch dieses geschehen, bat er ferner, man solle ihn losbinden, er wolle Alles gestehen. – „Ach! das Gott erbarm,“ begann er hierauf, „wenn Einer meint, er wolle davonkommen!“ – „Vor drei Jahren,“ fuhr er fort, „sey er in Boxberg auf der Hochzeit des Amtsschreibers gewesen, und da sey dieß Laster ihm wider seinen Willen bekannt geworden. Er habe sich daselbst mit einem Frauenbild auf das Innigste eingelassen, die wie eine andere Weibsperson ausgesehen; auch habe er nicht anders vermeint, als daß es des Amtsschreibers Schwester gewesen. Am

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Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1844, Seite 1053. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedrich_von_Rath_Hexenprozesse.pdf/42&oldid=- (Version vom 31.7.2018)