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Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267

„Ehrenvester, hochachtbarer, großgünstiger, großgeehrter Herr Gevatter! Demselben seyen meine jederzeit demüthig geflissenen Dienste und Grüße zuvor.“

„Demnach ich leider Gott erbarm’, nicht unterlassen kann, dem Herrn Gevatter und Burgermeister zu schreiben wegen meines Wegreisens – denn Gott im Himmel sey es geklagt, daß ich mein liebes Weib und kleinen Kinder und meine ehrliche Haushaltung also jämmerlich und unschuldig verlassen soll – so muß ich Ihnen sagen, daß Niemand anders daran schuldig, als der’ Amtmann Max Waltz, welcher mir zu zwei Malen, als 1) da man die Lorenz Gurrin gerichtet, und 2) da man die Weißgerberin gerichtet, im Beiseyn des Kapitän Georg Schwarz solche bedenkliche Reden gethan, daß ich mir wohl ein traurig Gemüth darüber gemacht. Denn erstlich als die Gurrin im Beiseyn meiner und anderer zu ihrer Wacht und Begleitung berufenen Männer ihre Unschuld vorgab und wir dieß dem Herrn Amtmann referirten, sagte gemeldeter Amtmann etliche Worte. Als ich mich darüber gewundert, gab er mir zur Antwort: „wer den Teufel kennt, darf sich dessen nicht wundern.“ Darüber ich erschrocken, doch still geschwiegen, mir aber wohl schmerzliche Gedanken darüber gemacht. Nun das andere Mal: als ich mit obgemeldetem Kapitän Morgens wieder mit meiner Wehr auf’s Neuhaus und in gemeldet Herr Amtmanns Stube gekommen, fang ich mit diesen Worten zu reden an: „es wäre gar kalt.“ Darauf gab er mir spöttlich zur Antwort: „ja wenn es ein wenig kälter wäre, wäre es allen Menschen kalt genug!“ Und darüber legte er sich wieder auf die andere Seite und dankte mir nicht auf meinen gewünschten guten Morgen. Hierüber entsezte ich mich so, daß ich meine ganze Zeit mit Weinen und Thränen zugebracht, auch zum Herr Pater Prediger Kapuziner gegangen bin und ihm mit Weinen solches geklagt. Auch bin ich an selbigem Tage von Allen, so dem Examen (dem Verhöre) beigewohnt, feindlich angesehen und keines Wortes gewürdigt worden, welches mir zuvor nie geschehen. Auch hat mir der Gassenvogt (Polizeidiener) öffentlich vorgeworfen, ich stehe schon darin (im Verzeichniß der des Hexenwerks bezüchtigten Personen); woher er dieß geredet, ist mir unbewußt. So hat auch ein fremder Mann an dem Tage, da ich fortreiten wollte, zu dem Hauptmann gesagt und auch zu mir: er habe gehört von glaubwürdigen Männern, man habe mich auf’s Neuhaus geführt. Aus so vielen Ursachen gerieth ich denn leider Gott erbarm’s in einen solchen Schrecken und Angst, daß sich ein frommer ehrlicher Mensch wohl darüber entsetzen mag; denn ich habe von den Verschrienen und andern Menschen genugsam vernommen, wie Gewalt und Unrecht ihnen geschehen, und wie von ihnen ihre Unschuld genugsam an den Tag gelegt worden, was jedoch von Etlichen von ihnen wenig geglaubt ist worden, bis sie solches Herzeleid an sich selbst vor Augen gesehen haben, aber zu spät.“

„Mich anlangend, so weiß der allmächtige ewige Gott, der Aller Herzen Erleuchter ist, daß mir in solch schwerem Fall Gewalt und Unrecht vor Gott und aller Welt geschieht, so wahr als Jesus Christus unser lieber Herr am h. Kreuz vor uns Alle gestorben ist. Es wird mir auch kein Mensch auf dieser Welt mit Wahrheit nichts anderes nachsagen, als daß ich mich vor Gott und der Welt nicht anders gehalten, als einem ehrlichen Mann zusteht. Ich will Gott zwischen mir und meinen Feinden Richter seyn lassen. Gott verleihe mir nur Geduld. Aber die blutigen Thränen und heißen Zähren meines armen lieben Weibes und kleinen Kinder werden vor Gottes heiligem Angesicht im Himmel schreien und werden erhöret werden. Gott verzeih Allen darum, besonders dem Rentmeister, daß sie mich so unschuldig von meinem lieben Weib und Kindern bringen. Ich hoffe zu Gott, meinem Erlöser und Seligmacher, die Gruben, die sie mir graben haben wollen, werden sie selbst verschlingen. Gott der Allmächtige weiß wohl, wer Recht und Unrecht hat, er ist ein gerechter Richter, er wird mein Elend wenden zu seiner Zeit, und mein liebes Weib und Kinderlein sammt mir wieder erfreuen, wie den geduldigen Hiob.“

„Der Hr. Gevatter wolle sich meines armen Weibes und Kinder befohlen seyn lassen, das wird Gott, der ein Beschützer ist der armen Waisen, belohnen. Hiermit befehle ich den Hrn. Gevatter in göttlichen Schutz. Des Hrn. Gevatters

unterthäniger und williger 

Thomas Schreiber, 

um Unschuld hochbetrübter Mann.“
(Fortsetzung folgt.)
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1844, Seite 1031. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedrich_von_Rath_Hexenprozesse.pdf/30&oldid=- (Version vom 1.8.2018)