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Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267

Hexenprozesse.
Mitgetheilt von Fr. v. Rath.
(s. Nr. 251.)
Dritte Abtheilung.

Wie wir schon bemerkt, wurden, wie überall, so auch in Mergentheim, die Hexenprozesse in der kürzesten Zeitfrist abgethan und die solchen Untersuchungen Verfallenen bald möglichst zum unvermeidlichen Tode geführt. Nur ausnahmsweise finden sich einige vor, die den Richtern mehr zu schaffen machten, eben dadurch aber auch ein um so vollständigeres Bild des dabei angewendeten Verfahrens liefern. Unter diesen möchte der folgende Prozeß einer der merkwürdigsten seyn, indem er zeigt, wie ein für jene finstere Zeit sehr hellsehender Mann nicht bloß dem herrschenden Aberglauben, sondern auch andern, noch verwerflicheren und niederträchtigeren Ursachen als Opfer fallen mußte. Aus diesem Prozeß geht nur zu deutlich hervor, daß keiner, einmal in die Klauen der furchtbaren Hexenverfolger gerathen, dem Tode entrinnen konnte. – Lassen wir jezt die Akten selbst reden, wobei wir nur noch bemerken, daß alle Briefe, alle angeführten Stellen denselben wörtlich entnommen sind, nur daß die Orthographie nach dem heutigen Brauch abgeändert wurde.

Als in Mergentheim die Furie der Hexenverfolgungen am schlimmsten wüthete, fand sich Thomas Schreiber, ein wohlhabender, noch nicht dreißigjähriger lebensfrischer Mann und Besitzer des dort noch existirenden Gasthofes zum Hirsch, bewogen, in den ersten Tagen des Februars 1629 Mergentheim heimlich zu verlassen und in die nahgelegenen Besitzungen des protestantischen Markgrafen von Anspach zu flüchten. Er selbst war zwar in Mergentheim geboren, allein mit Ausnahme einiger Brüder und Oheime lebten seine nächsten Blutsfreunde als angesehene Bürger in Heidenheim, Schorndorf, Langenau (bei Ulm), Dünkelsbühl, Ellwangen u. s. w. mit Ausnahme der leztern Stadt in lauter rein protestantischen Orten. Es darf daher mit Recht angenommen werden, auch ergibt es sich deutlich aus seinen Briefen, daß er mit dem Protestantismus genau bekannt, wohl selbst ein heimlicher Bekenner desselben war, ein Umstand, der vom wesentlichsten Einfluß auf den tragischen Ausgang seines Prozesses gewesen seyn dürfte.

Die Ursache seiner Flucht gibt er in folgendem aus Anspach vom 7. Februar datirten Schreiben an, das gerichtet ist „an seinen großgeehrten lieben Herrn Gevatter, Herrn Paulus Nachtrab, Burgermeister in Mergentheim.“

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1844, Seite 1030. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedrich_von_Rath_Hexenprozesse.pdf/29&oldid=- (Version vom 31.7.2018)