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Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267

Hexenprozesse.
(Schluß.)

Viele der Inquisiten trafen vor ihrer Hinrichtung leztwillige Verfügungen, die in der Regel getreulich ausgeführt wurden, und die man nicht ohne innige Rührung lesen kann. So macht z. B. die am 18. Novbr. 1628 eingezogene und am 1. Decbr. verbrannte Frau des angesehenen Mergentheimer Bürgers Hans Georg Braun folgendes Testament und bittet ihre Richter demüthigst um dessen Vollziehung: „Meinen Sohn will ich um Gotteswillen gebeten haben, den geistlichen Stand zu erwählen. Des jetzigen Todtengräbers Frau, die mich so inniglich in meinem Herzeleid bei dem Tode meiner Kinderlein getröstet hat, vermache ich meinen geblümelten seidenen Rock; meiner Pathe, dem Mariele von Königshofen, die ich zehn Jahre lang auferzogen, meinen gefältelten Kirchenmantel und meinen alten Hausrock. Mein in Brohlbach bei des Gabels Frau liegendes Haustuch soll meine Tochter abholen und unter meine beiden Mägde vertheilen. Mein Hauswirth (Ehemann) soll meiner Tochter meinen neuen Mantel zum Leidrock (Trauergewand) geben. Ihm selbst will ich nichts lieberes wünschen, als daß er sich in eine Pfründe einkaufe und sich vor jeder fernern großen Haushaltung hüte. Den Buben des Hans Waldheßler soll mein Mann nicht verlassen und zu einem Handwerksmann in die Lehre thun etc.“ – Die am 18. December 1628 hingerichtete Wittwe des Sebastian Landbeck von Mergentheim bittet fußfällig, „man möge sie auf dem Gottesacker neben ihrem Bastel begraben und ein Kreuz auf ihr Grab setzen.“

Der am 18. August 1621 verbrannte 26jährige Hans Frey von Markelsheim vermacht seinem Bruder ein kleines Lehen und seinen halben Theil an einem silbernen Becherlein, und fleht, dieß ja bald auszuführen, damit er nicht, wie seine Mutter, nach seinem Tode umgehen müsse, weil ihre Vergabung von 12 fl. an die Kirche wegen Unvermöglichkeit seines Vaters nicht ausgeführt worden sey. – Kunigunde, Hans Schmieds Frau von Igersheim, 41 Jahre alt, verbrannt am 12. März 1629, verordnete, ihr Mann solle ihre Kinder gut bewahren und seiner Haushaltung halber baldigst wieder heirathen. Ihre Schwägerin solle sich auch ihrer Kinder annehmen und sie nicht hart behandeln. Ihr baumwollener Rock, ein rothtafftnes Leiblein und ihr Pelz nebst einem Halsband sollen ihrer Schwester vermacht seyn, die andern Röcke für ihre Mädchen aufbewahrt werden. – Brigitte, die Ehefrau eines andern Bauern von Igersheim, wenige Tage nach der eben Genannten hingerichtet, zeigt sich als höchst zärtliche und besorgte Mutter, sie gedenkt besonders ihrer zwei kleinen Mädchen, und bestellt für alle Vormünder. Ihr Mann soll Ehebett und Handwerkszeug behalten, bis der älteste Sohn die Schmiede übernehmen könne. Schließlich bittet sie flehentlichst, weil ihr Mann Sr. hochfürstlichen Durchlaucht gedient, sie des Handwerks wegen auf dem Zimmerplatz richten zu lassen u. s. w. Viele stifteten Messen für ihr Seelenheil oder begabten auf andere Art die Kirchen.

Diese kurzen Umrisse mögen hinreichen, um ein Bild davon zu geben, wie es eigentlich bei den so berüchtigten Hexenprozessen zugegangen ist. Sie waren aber nothwendig zum bessern Verständniß einiger der in der nächsten und lezten Abtheilung mitzutheilenden merkwürdigen Hexenprozesse. Keiner, der diese in der Regel so kurzen und unscheinbaren Akten zur Hand nimmt, wird glauben, daß es sich in ihnen stets um das Leben der zur Untersuchung gezogenen Personen gehandelt hat, von denen nur sehr wenige und zwar erst nach furchtbaren Martern dem Tode entgangen sind. Es möge hier nun noch die kurze Bemerkung erlaubt seyn, daß in keinem der Mergentheimer Hexenprozesse ein Adeliger, ein Geistlicher, ein Jude oder Zigeuner, oder ein auf dem Gebiete des Ordens nicht Ansäßiger verwickelt gewesen ist. Die ganze Verfolgung, das ganze Unheil lastete auf dem Bürger- und Bauernstande, wüthete aber unter diesem auch ohne Ansehen der Person, des Alters und des Geschlechts. Sehr selten suchte ein des Hexenwerks Bezüchtigter und Verschriener dem gewissen Tode durch Flucht sich zu entziehen; in dumpfer Erstarrung erwartete Jeder das Unvermeidliche.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1844, Seite 1003. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedrich_von_Rath_Hexenprozesse.pdf/28&oldid=- (Version vom 31.7.2018)