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Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267

seltsame Art als Leuchter dienen müssen. Eine gibt von sich selbst an, daß sie einen solchen Leuchter vorgestellt habe. Auch wird dabei Musik gemacht, aber schlecht klingende, gewöhnlich von in der Gegend allgemein bekannten Spielleuten. Die Heimfahrt wird auf gleiche Weise wie die Herfahrt bewerkstelligt.

Bei diesem Artikel ward nun aber eine Hauptfrage gestellt: wer bei diesen Hexentänzen anwesend gewesen sey? Wurde eine Person von vier beständigen Verurtheilten, d. h. von solchen, die ihre Angabe nicht widerrufen und hingerichtet worden waren, als auf solchen Tänzen zugegen gewesen genannt, so war dieß Grund genug, um eine solche Person einzuziehen und ihr den Prozeß zu machen. In der Regel weigern sich die Inquisiten, auf diese Frage bestimmt zu antworten; sie geben vor, es sey zu dunkel, die Anwesenden seyen wohl gar verhüllt gewesen. Bald aber erpreßt die Folter bestimmtere Angaben; es werden im Anfang gewöhnlich längst verstorbene oder sogar hingerichtete Personen angegeben, und erst, wenn auch dieses nicht genügt und die peinliche Frage fortgesezt wird, werden in den furchtbaren Schmerzen auch lebende Personen als Mitschuldige genannt, in einigen Fällen fünfzig, sechzig und noch mehr, unter ihnen Fremde, Bekannte, Verwandte, oft die nächsten Angehörigen. Häufig wurden in solchen Fällen Confrontationen vorgenommen, wobei oft die rührendsten Scenen vorkommen, indem sie z. B. solche Bekenntnisse nur der grausamen Marter und Pein zuschreiben, die neu Angeklagten trösten und auffordern, durch Zugeständniß dessen, was man wissen wolle, wenigstens der Folter zu entgehen und baldigst hingerichtet zu werden. Es liegt ein Fall vor, wo man der Inquisitin, der Frau eines angesehenen Bürgers aus Mergentheim, die trotz der angewendeten höchsten Foltergrade keine Mitschuldigen angeben wollte, endlich eine Liste sämmtlicher Straßen und Häuser Mergentheims nebst den darin befindlichen Bewohnern vorlas, um ihrem Gedächtniß zu Hülfe zu kommen. Als man ihr immer stärker mit der Folter zusezte, bekannte sie 54 Mitschuldige, darunter zwei ihrer Schwägerinnen, gab aber bei einem bald darauf erfolgten Widerruf an, die meisten dieser Personen würden ihr ohne das Vorlesen jener Liste nicht eingefallen seyn. Leider half der Unglücklichen dieser Widerruf nichts, neue Qualen erhielten sie zulezt in ihren Bekenntnissen beständig, denen ihr eigener Feuertod und die Verhaftung vieler der Angeklagten folgte.

Die Frage nach den von den Unholden angerichteten Ungewittern, Reifen und bösen Nebeln wurde zuweilen auch für sehr wichtig gehalten. Die von ihnen gegebenen Erklärungen, auf welche Weise sie solche Ereignisse bewerkstelligt, welche ohne Weiteres als wahr angenommen und geglaubt wurden, sind für den damaligen Stand der Naturwissenschaften zu bezeichnend, um nicht einen Augenblick dabei zu verweilen. Wenn ein Unwetter oder dergleichen angerichtet werden sollte, so hatten sie entweder vom Bösen ein Büchslein erhalten, welches sie öffnen und das darin Enthaltene umrühren mußten, oder sie hatten das Mittel selbst verfertigt. Hierzu nahmen sie Kröten, Schnecken, Schweinsborsten, Heuschrecken, Eierschalen, aus denen Junge gekrochen, Butter, Rinds- und Schweineschmalz, Todtenbeine etc., rührten in des Teufels Namen Alles wohl unter einander und hoben es auf; die Hauptsache sey das Rühren. Wollen sie nun ein Unwetter machen, so tragen sie es an den Ort, wo es entstehen soll, schütten es rückwärts in des Teufels Namen in ein Wasser, oder rühren es, nachdem sie das Büchslein geöffnet, auch nur um und lassen es offen stehen, worauf das Unwetter beginnt.

In den alten Prozessen ward scharf inquirirt, wie und wie viele Menschen und Vieh sie getödtet, gedrückt, erlahmt oder sonst beschädigt hätten. Hierbei wurde in der Regel eine Menge an Kindern, Kindbetterinnen und andern Personen verübter Morde angegeben, nie aber fiel es einem Richter ein, nach der Wahrheit dieser auf der Folter erpreßten Angaben zu forschen. In den spätern Akten kommen solche Fragen, folglich auch solche Geständnisse nur selten mehr vor. Alle dabei angewendeten angeblichen Zaubermittel waren ganz ähnlicher Natur, wie die zum Wettermachen gebrauchten. Manche gestehen ein, ihre eigenen Kinder, ihr eigenes Vieh durch solche Mittel umgebracht zu haben.

(Fortsetzung folgt.)
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1844, Seite 991. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedrich_von_Rath_Hexenprozesse.pdf/23&oldid=- (Version vom 31.7.2018)