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Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267

Hexenprozesse.
(Fortsetzung.)

I. Wie sie (die Inquisiten) hinter das Hexenwerk gerathen? warum, von wem und wie sie es gelernt? Wann und wie sie Gott und seine Heiligen verleugnet? Wie viel Jahre sie es getrieben? Wo der böse Feind und in welcher Gestalt er ihnen erschienen? was sie ihm und er ihnen versprochen? wie sie sich gegen ihn verbunden? wo und wie er sie gezeichnet? wie er heiße und (eine Hauptfrage) wo und wie oft sie mit ihm Buhlschaft getrieben? – II. Ob ihnen der böse Feind nicht besonders eine Salbe zum Ausfahren (d. h. zum Ausfahren bei Nacht auf Besen, Ofengabeln, Stöcken, Katzen, Böcken etc.) und zum Beschädigen der Menschen und des Viehes und ein Pulver oder andere giftige Dinge gegeben? – III. Wo sie und ihre „Gespillen“ (Genossen) ihre Zusammenkünfte und Tanzplätze gehabt? an welchen Tagen sie zum „Gaisten“ (Hexenwerktreiben) ausgefahren? wo sie Essen und Trinken hergenommen? und was sie sonst Alles bei den Tänzen verrichtet? – IV. Ob sie den Leuten und Wirthen hin und wieder in die Keller gefahren, den Wein ausgetrunken und Unrath in den Wein gethan und denselben verdorben haben? – V. Was sie für Vieh gedrückt, erlahmt, umgebracht oder umbringen helfen? – VI. Wo, wann, wie oft sie zum Wettermachen geholfen? wie sie die Unwetter zubereitet? wer mit dabei gewesen? was die Wetter für Schaden gethan? – VII. Ob sie auch Nebel und Reifen gemacht und damit Bäume, Weinberge und andere Früchte helfen verderben? – VIII. Wann, wo und was für Leute, besonders aber schwangere Frauen und Kinder, sie zu Tode oder sonst gedrückt oder geschädigt? – IX. Ob sie die reine Wahrheit bekannt? ob sie ihren Mitschuldigen in ihren Angaben kein Unrecht gethan? ob sie auf ihre Aussagen leben und sterben wollen?

Es dürfte nothwendig und interessant seyn, bei mehreren dieser Fragen und den von der Folter erpreßten Beantwortungen derselben etwas länger zu verweilen. Auf die Fragen des ersten Artikels finden sich gewöhnlich folgende Antworten vor. Die Angeklagten sind entweder schon in früher Jugend, oft schon in der Kindheit, von Bekannten, Verwandten, oft von den eigenen Müttern zum Hexenwerk (das aber nie näher bezeichnet wird) angelernt oder dem Bösen zugeführt worden, oder dieser ist ihnen in reifern Jahren bei Nacht in der Schlafkammer, in Küche, Keller etc., so wie auch am Tage, an einsamen Orten erschienen, und zwar meistens in Zeiten, wo sie durch irgend eine Ursache in Jammer und Elend gestürzt gewesen seyen. Gewöhnlich erscheint der Böse in der Tracht der damaligen Zeit als Junker, Landsknecht, Reitersmann, Bauernbursch, Bürgersmann oder schönes Mädchen, gut gekleidet, in stattlich schöner Gestalt, an welcher später in der Regel ein oder zwei Bocks-, oder Gänse-, auch Raubvögelfüße erkannt werden. Zuweilen aber behält er fortwährend menschliche Gestalt und zeigt täuschende Aehnlichkeit mit frühern oder abwesenden Geliebten. Er führt unzählige Namen: Federlein, Hasenfuß, Jäcklein, Wedel, Sträußle, Gräßle, Flederwisch, Weißköpfle, Schwarzhansel, Lorenz, Gabriel, Mephistopheles u. s. w. In den ältern Akten gibt der Böse gewöhnlich gutes Geld, das von den Inquisiten ausgegeben worden ist, oft zu Erkaufung von Milch und Brod für ihre hungrigen Kinder; nach Angabe der Akten aus den mittlern Zeiten verwandelt sich aber dieses Geld stets in Unrath oder werthlose Dinge, nach den spätern Akten muß der Teufel gar nichts mehr gegeben haben; es wird über diesen Punkt wenigstens nicht mehr inquirirt.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1844, Seite 986. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedrich_von_Rath_Hexenprozesse.pdf/20&oldid=- (Version vom 1.8.2018)