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Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267

Hexenprozesse.
Mitgetheilt von Fr. v. Rath.
Zweite Abtheilung.

Es ist die Absicht des Verfassers dieser Blätter, einige merkwürdige Hexenprozesse mitzutheilen. Als Einleitung mußte in kurzen Umrissen Entstehung und Ausbildung des Hexenwesens geschildert werden. Dieß ist in der ersten Abtheilung geschehen. Soll aber in den vorzulegenden Prozessen nicht Manches unverständlich bleiben, so erscheint es nicht weniger zweckmäßig, auch noch allgemeine Notizen über das Verfahren selbst voran zu schicken, die sämmtlich aus den Akten solcher Prozesse entnommen sind, welche auf dem Gebiete des deutschen Ordens gegen Hexen und Unholde geführt wurden.

Der erste der im Mergentheimer Archive befindlichen Hexenprozesse wurde im Jahr 1539 geführt, der lezte im Jahr 1662; dieser endigte nicht mit der Hinrichtung, sondern nur mit der Landesverweisung der Angeklagten. In dieser einhundert-und-dreiundzwanzigjährigen Periode wurden die „Unholde und das Druttenvolk,“ wie man Hexen und Zauberer gemeinschaftlich nannte, nicht immer mit gleicher Heftigkeit verfolgt; es fanden dagegen in gewissen Jahren solche Verfolgungen gleichsam in Masse statt, und es scheinen hiebei die persönlichen Ansichten der jeweiligen Hoch- und Deutschmeister von großem Einfluß gewesen zu seyn. Es zeichneten sich in dieser Beziehung die Jahre 1590, 1602, 1618 und 1619, vor allen aber die Jahre 1626 bis 1630 aus, als Johann Caspar von Stadion, ein vertrauter Freund des eben so eifrigen Hexenjägers Philipp Adolf, Bischofs von Würzburg, die hoch- und deutschmeisterliche Würde bekleidete. Es ist erwiesen, daß in dieser 123jährigen Periode auf dem Gebiete des Ordens gewiß über 1200 Menschen des Hexenwerks wegen hingerichtet wurden. So wurden z. B. vom 23. Oktober 1628 bis 10. Februar 1631 135 Personen als Unholde in Mergentheim und dessen nächsten Umgebungen eingezogen; einige von ihnen starben im Gefängniß, sieben wurden, fast sämmtlich gegen das Ende des Jahres 1630, gegen Urpheden entlassen, eine entkam aus dem Gefängniß, 123, darunter 24 meistens junge Männer, die übrigen Frauenspersonen jeden Alters, von 15 bis 87 Jahren, wurden zum Theil lebendig verbrannt, zum Theil geköpft und dann verbrannt, einige aus besonderer Gnade nur mit dem Schwerte hingerichtet. Allein nicht nur am Regierungssitze des Fürsten wütheten diese Greuel, auch in andern Theilen des Ordensgebietes verfuhr man nicht weniger grausam. In Ellingen, wo der Landcomthur der Balley Franken residirte und

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Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1844, Seite 977. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedrich_von_Rath_Hexenprozesse.pdf/16&oldid=- (Version vom 31.7.2018)