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gestärkt zum Segen unsrer Kirche wirken, überall, wo unser Volk dieser bedarf.

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 Und es kann sie nirgends entraten, sicher auch nicht auf dem Gebiet der sozialen Frage. Fürchten Sie nicht, daß ich näher auf sie eingehe, bei deren Erwähnung schon manchen heutzutage ein leises Gruseln überkommt. Mag es sein, daß sie von manchen als die Frage aller Fragen behandelt wird, die das oberste Interesse aller verlange; aber sie kann doch nur erfolgreich in Angriff genommen werden auf dem Boden eines starken, gewerbfleißigen, geistig und religiös gesunden Vaterlands, und schon das sagt uns, daß neben ihr eine Menge anderer, ebenso wichtiger Aufgaben den modernen Menschen beschäftigen. Aber gleichviel – das Wort Uhlhorns gilt, daß diejenige Kirche den Sieg behalte, welche am meisten zur Lösung der sozialen Frage beitrage. Darum darf sie aus dem Kreise unsrer Verhandlungen nicht ausgeschalten werden; bei der Erörterung über sie werden auch unter uns die verschiedensten Ansichten laut werden. Nur das kann ich vielleicht als von den Meisten zugestanden betrachten, daß die Kirche nicht von der Voraussetzung ausgehen darf, die jeweilige Ordnung der bürgerlichen Gesellschaft sei unverbrüchliche, endgültige Ordnung Gottes; daß die Kirche nicht teilnahmslos dem Streben des 4. Standes, sich emporzuarbeiten, zusehen darf, da dies doch seine Wurzel in der Wertschätzung der menschlichen Persönlichkeit durch das Evangelium und seinen Halt an der Bruderliebe hat; daß die Kirche, will sie nicht zur Sekte sich verengen, nicht ausschließlich mit der Rettung des Einzelnen zum Heile sich beschäftigen darf, sondern als Volkskirche dem Ganzen ihre idealen Forderungen vorzuhalten wie an ihnen die Verhältnisse zu messen hat; daß sie verpflichtet ist, allerorten oben und unten die Gesinnung zu pflegen, durch welche die Stände eines Volkes als Glieder an einem Leibe sich fühlen und tragen und fördern. Zu solcher Arbeit aber gehört eine starke, im Herzen des Volkes wurzelnde Kirche. Und daß unsre sächsische Landeskirche dies immer mehr werde, dazu wollen wir ihr nach dem Maße unsrer Einsicht und Kraft dienen. In diesem Sinne werden wir auch die verschiedenen Fragen ihrer äußeren Verfassung

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Friedrich Meyer: Die Kirche und die moderne Zeit. Georg Wigand, Leipzig 1898, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedrich_Meyer_-_Die_Kirche_und_die_moderne_Zeit.pdf/23&oldid=- (Version vom 10.7.2016)