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Menschen ist wie eine Burg, die vom Feinde bedrängt wird, in der selbst ein Verräter sich befindet, der mit dem Feinde im Einverständnis ist. Aber bei ihm hat die Sünde auf keinem Punkte seines Wesens eine Anknüpfung gefunden. Dennoch ist die Versuchung für ihn eine Realität, nicht ein bloßes Schattenspiel, wie diejenigen es ansehen müssen, welche nicht Ernst machen mit der Betonung der wirklichen Menschheit Jesu. Sie ist ein wirklicher Kampf mit dem Fürsten dieser Welt. So stellt der Herr selber sie dar. Es kostet, wie wir das namentlich bei der Versuchung in Gethsemane sehen, einen Kampf, eine Anstrengung des Herrn. In diesem Kampf hält er aber Glauben und so besiegt er Satan und Welt. Diejenige Versuchung aber, die wir außerdem noch zu erdulden haben, nämlich von dem eigenen Fleisch – diese gab es für ihn nicht. So ist seine Heiligkeit sittliche Leistung (Verdienst) geworden, und so ist er unser Vorbild.

 Er ist nun aber unser Vorbild nach all den verschiedenen Beziehungen hin, in welchen sich das christliche Leben bethätigen kann und soll, in seinem Verhältnis zu Gott, in welchem sein Leben, ein Leben der Liebe, des Gehorsams und des Gebets war. Er ist auch Muster und Vorbild des rechten Verhaltens gegen den Nächsten und zu den sittlichen Ordnungen, in welchen nach Gottes Willen das Gemeinschaftsleben der Menschheit verfaßt ist, in seinem Verhältnis zur religiösen Gemeinschaft seines Volks, in seinem Verhältnis zur Familie, zur bürgerlichen Gemeinschaft und Obrigkeit, zur Menschheit als solcher, zur Welt überhaupt. Er ist einzigartig. So prägt sich auch das göttliche Ebenbild bei ihm nicht blos in origineller, sondern in einzigartiger Weise aus. Darum ist er nicht durchweg nachzuahmen, aber andererseits ist er wieder umsomehr Vorbild der Nachfolge in Demut, Geduld, Leiden, ja hierauf bezieht sich meist die Ermahnung der heiligen Schrift zur Nachfolge Jesu.


Schriftstellen von der Nachfolge Jesu.

Galat. 4, 19: „Meine lieben Kinder, die ich abermal mit Ängsten gebäre, bis daß Christus in euch Gestalt gewinne.“ Das Christenleben soll sich so entwickeln, daß der Christ immer mehr dem Bilde Jesu ähnlich werde.

Phil. 2, 5: Ein „jeglicher sei gesinnt wie Christus Jesus auch war.“ Nachfolge in der selbstverleugnenden Liebe, in der Demut und im Gehorsam; den Menschen gegenüber dienende Liebe, Gott gegenüber Gehorsam, Hebr. 12, 3.

Joh. 13, 15: „Ein Beispiel (ὑπόδειγμα) habe ich euch gegeben etc.“ Nachfolge in der dienenden Liebe. Hieher gehört Joh. 12, 26: „Wer mir dienen will etc.“; denn das διακονεῖν ist auch eine Nachfolge Jesu; cf. Matth. 20, 28: „Des