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der Tod in Betracht als das stellvertretend Genugthuende, sondern das Blut als das Versöhnende, Hebr. 9, 22; denn im Blut ist das Leben, 3. Mos. 17, 11. 14, und das Leben wird in dem Blute Gotte hingegeben, und andrerseits durch Besprengung dem Menschen zugeeignet, Hebr. 9, 7. 9. 20. 22. Dies ist die positive Seite des Opfers und bei der freiwilligen Hingabe, wie bei Christo, die ethische Seite desselben, Ps. 40, 7–9, darum das Versöhnende daran, was die Feindschaft wegnimmt und Gottes Wohlgefallen bringt, Röm. 5, 11. Man sieht, der Gedanke der Erstattung ist positiv und negativ durchgeführt, und also tritt überall der Grundsatz der göttlichen Gerechtigkeit inmitten der Gnadenerweisungen hervor. Er erscheint als der Gerechte, wenn er gerecht macht, Röm. 3, 26. Das ist er aber nur, wenn seine Rechtssatzungen, die in seinem Gesetz geoffenbart sind, unwandelbar durchgeführt werden und unverrückt bleiben. Das ist der Eindruck, den das Gesetz hervorbringen will und das ist der bleibende Wert des Ceremonialgesetzes, sein ewiger Gehalt.

 Was das bürgerliche Gesetz betrifft, so hat für uns Christen als solche keine seiner Rechtsbestimmungen mehr Gültigkeit. Denn die Christenheit ist kein natürliches, irdisches Gemeinwesen, wie es die Völker sind und wie es in gewissem Maß auch Israel war, sondern ein geistliches Gemeinwesen, eine Glaubensgemeinde. Sofern es aber in der Christenheit auch Volkstum und Völker gibt, steht man in ihr jenem Gesetz als einer göttlichen Ordnung des Volkslebens nicht gleichgiltig gegenüber, Deut. 4, 6–8. Doch sind die Verhältnisse hüben und drüben nicht ganz die gleichen.

 Das Verhältnis Israels zu seinem Land war ein ganz anderes als das aller anderen Völker zu ihren Ländern. Das Land Kanaan ist Gottes Eigentum, Israel Gottes Lehensmann; daher die Zehntabgabe. Während nach Akt. 17 die geographische Ausbreitung der andern Völker unter göttlicher Vorsehung und Leitung stand, war das Volk Israel das erwählte Volk, bei dem es sich nicht nur um eine Leitung und Vorsehung, sondern um eine That des göttlichen Heilswillens handelte. Das bürgerliche Gesetz war (wenigstens ein großer Teil desselben) sozusagen dem Volk Israel auf den Leib zugeschnitten; so kann es in seinem buchstäblichen Sinne nicht für andere Zeiten und Völker verpflichtend sein. Die Zehntabgabe ist dahingefallen; ebenso ist dahingefallen die Beschränkung der Eigentumsrechte durch das Verbot der Veräußerung. Aber der Grundgedanke, der Geist