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Schließliche Zusammenfassung:

 Das Gewissen leidet unter dem Verderben der Geistesvermögen, mit denen es enge zusammenhängt.

 1. Die Trübung der Erkenntnis äußert sich in der Weise, daß das Gewissen irrt und auch da seine Funktion ausübt, wo ein ungöttliches Gebot mit göttlicher Autorität auftritt.

 2. Die Trübung des Willens äußert sich für das Gewissen so, daß die verpflichtende oder seine abschreckende Thätigkeit keine Energie besitzt.

 3. Die Korruption des Gefühls äußert sich darin, daß der Mensch sich abstumpft gegen das Gefühl der Strafe des Gewissens.


IV.
Das Gesetz als das vom Menschen zu verwirklichende Ebenbild Gottes.


§ 30.
Allgemeines.

 Die Gesetzgebung, dieser große Fortschritt in der sittlichen Erziehung der Menschheit, erfolgte nicht, ohne daß ihr in der Patriarchenzeit eine evangelische Zeit, und nicht, ohne daß der Forderung des Gesetzes die Verheißung der Gnade vorausgegangen wäre. Die Verheißung, dieses alttestamentliche Evangelium, ist früher als das Gesetz und das Gesetz selber ist nicht als ein abstrakter Moralkodex, losgelöst aus dem Zusammenhang der ganzen göttlichen Gnadenführungen Israels und der ihm geschenkten Verheißungen, sondern als integrierender Bestandteil der Heilsgeschichte anzusehen, als Erlebnis des Volkes Gottes.

 Vom Standpunkt unserer Aufgabe aus haben wir das Gesetz anzusehen als das vom Menschen zu verwirklichende Ebenbild Gottes, als das Ebenbild Gottes in Gestalt einer an ihn herantretenden Forderung. Lev. 19, 2; 11, 45. „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.“ cf. Matth. 5, 48.


§ 31.
Gesetz und sittlicher Stand der Menschheit.

 In Gestalt einer Forderung tritt das Gesetz an den Menschen heran und was es von ihm fordert, von ihm verwirklicht zu sehen verlangt,