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einer Erneuerung und der Anknüpfungspunkt für die Erlösung. Accidentiell ist indes hier nicht so viel als unbedeutend.

 Der Hauptunterschied zwischen sonst und jetzt besteht nicht in dem gegenüber der früheren Tadellosigkeit des Verhaltens nun mehr oder weniger häufigem Vorkommen einzelner sündlicher Handlungen (neben welchen auch relativ gute einhergehen können), sondern in dem Vorherrschen der bösen Neigung unseres Herzens und in der ganzen verkehrten Herzensstellung, zu der sich das Gewissen im Gegensatz und Widerspruch befindet, Matth. 15, 19: „Aus dem Herzen kommen etc.“; Röm. 1, 24 (verkehrte Herzensgelüste), cf. 1. Petr. 4, 2; die Persönlichkeit des Menschen hat durch die Sünde eine verkehrte Richtung genommen; er sucht das Eigne, sein Leben ist ein Eigenleben geworden; 2. Tim. 4, 3; 2. Petr. 3, 3; Jud. v. 16. 18; er sucht Befriedigung in sich selbst, dem Fleisch, in der Welt, 1. Joh. 2, 16; Tit. 2, 12; 1. Petr. 1, 14; indem er dem höheren Zuge seines Geistes abgewendet ist. Davon gibt das Gewissen mit seiner richtenden Thätigkeit uns Zeugnis und deckt den inneren Zwiespalt auf, in dem der Mensch mit sich selber lebt, und nimmt ihm seinen Scheinfrieden, indem es ihn beunruhigt. Es kann das Gewissen, was den ganzen Zustand betrifft, nur als böses Gewissen erscheinen, obgleich es im einzelnen auch gute Handlungen und eine Zustimmung des Gewissens gibt, was aber bei dem sündigen Gesamtzustand der Menschheit ohne Christum nichts austrägt.

 Mehr als diesen Zwiespalt zwischen der sündigen Willensneigung und dem Gewissen bezeugen und ein Stachel sein wider die völlige Abstumpfung des Menschen in Bezug auf das Böse konnte das Gewissen bei der Gesamtheit der Menschheit nicht, Röm. 1. Das Gewissen hat wohl die Macht, den Menschen zu einer äußeren That zu zwingen, aber es kann nicht bewirken, daß er das Gute gern thut. Es zeigt sich hier die Ohnmacht des Gewissens, zu helfen und zu bessern. Die sündliche Neigung ist stärker als das Zeugnis des Gewissens. Indem aber dem Menschen gerade das Verkehrte in seiner selbstischen Art, das von Gott abgewandte, als das Süße, das Göttliche aber bitter erscheint, wendet er sich dem Verkehrten und Verderblichen in arger Selbsttäuschung mit seinem Willen zu. Wenn auch das Gute eine gewisse Anziehungskraft auf ihn ausübt, so übt auf der anderen Seite das Böse eine noch größere und der Mensch steht unvermögend und ohnmächtig zwischen beiden. „Er erweist sich nicht