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das verderbte Gefühl nicht die wünschenswerte Anziehungskraft, wenn es auch andrerseits für das Schmachvolle des Bösen eine gewisse Empfindung noch bewahrt hat. Das Abmahnen des Gewissens vermag zwar eine gewisse Furcht zu erwecken, aber dieselbe ist gewöhnlich nicht stark genug, um den Menschen dauernd von der bösen That zurückzuhalten (Pilatus). Das ist die Erscheinungsform des gehemmten Gewissens, welches sich in verschiedener Weise äußern kann. Die

 1. Form der Hemmung des Gewissens ist der Leichtsinn, welcher sich der Gewissensanwandlungen, von denen zuweilen auch er heimgesucht wird, dadurch zu entschlagen sucht, daß er sich in den Strudel der Zerstreuungen und Vergnügungen stürzt. – Die

 2. Form der Gewissenshemmung ist die Trägheit, Schlaffheit und Energielosigkeit, die nicht einmal die Frage, ob und welche Pflicht im gegebenen Falle obliegt, ins Reine bringen mag, geschweige, daß sie es zu einer sittlichen Entscheidung bringt. Der vom Gewissen dem Willen gegebene Impuls erlahmt hier kraftlos an der vis inertiae (Ahab; Felix). Durch Leichtsinn und Trägheit wird das Gewissen abgestumpft;

 3. die Bosheit aber verhärtet und verstockt es. Die Verstockung ist der höchste Grad der Gewissenshemmung. Der Verstockte setzt sich mit berechnender Absichtlichkeit gegen die mahnende, richtende und strafende Stimme des Gewissens. In den beiden ersten Fällen hat man es mit der Gewissenlosigkeit zu thun, in letzterem mit der vollendeten Sünde gegen das Gewissen, die auf dem Gebiet der natürlichen Sittlichkeit dasselbe ist, wie die Sünde wider den heiligen Geist auf dem Gebiet der christlichen Offenbarung (cf. Pharao, Judas).

 Auf diesem Wege wird das Gewissen allmählich zum Schweigen gebracht. Diese Hemmung kann eine vorübergehende sein; dann redet man von einem trägen und schlafenden Gewissen; oder eine dauernde; dann redet man von einem toten Gewissen, was man natürlich nur vergleichsweise sagen kann; denn ersterben kann ein Gewissen nie völlig. Es kommt immer eine Zeit, wo es wieder erwacht, aber wo es vielleicht zu spät ist.

 Außer der Hemmung gibt es auch eine Trübung des Gewissens; hier ist die Ursache eine Verdunkelung der Erkenntnis, die daher auch bei sonst gewissenhaften Menschen Vorkommen kann, ja gerade bei ihnen nicht selten vorkommt. Das Gewissen kann falsch leiten, es ist irrtumsfähig; es gibt ein irrendes Gewissen,