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Menschen herrschend wird: Ruhe, Friede, ein bis zum Vorschmack der Seligkeit sich steigerndes Wohlgefühl, Jak. 1, 25; furchtloser Mut und Freudigkeit (παρρησία) 1. Joh. 3, 21–22; Prov. 28, 1. Das ist die Erscheinungsform des guten Gewissens.

 Dieser Gewissensfriede ist übrigens nicht zu verwechseln mit dem Gottesfrieden, d. i. dem Frieden der Vergebung der Sünden. Dieser Friede ist höher, denn alle Vernunft, Phil. 4, 7; er muß geglaubt werden und kann nur durch den Glauben erfahren werden; es muß an der Gnade manchmal trotz mangelnder Empfindung festgehalten werden, Ps. 32. Der Gewissensfriede aber kann, da er dem Bereich der natürlichen Erfahrung angehört, geschmeckt und empfunden werden. Wenn man übrigens von einem guten Gewissen redet, so heißt das genau genommen: das Gewissen gibt dem Menschen Zeugnis, daß er gut ist, Akt. 23, 1; 2. Tim. 1, 3. Auch auf dem Gebiet des natürlichen Lebens gibt es eine bona conscientia, eine conscientia recte facti, cf. Röm. 2, 15; Phil. 3, 6. (Hiob 27, 6. Ist Glaubensgebiet.) Ein gutes Gewissen aber im vollen Sinn des Wortes kann nur ein durch Christi Blut versöhnter (Hebr. 9,24; 10, 22) und in der Kraft des heiligen Geistes in der Heiligung wandelnder Mensch haben, 1. Tim. 1, 5. 19. In demselben Sinn redet die Schrift von einem reinen, unbefleckten, 1. Tim. 3, 9; 2. Tim. 1, 3, und einem unanstößigen Gewissen, Akt. 24, 16. Das gute Gewissen kann auf einen ganzen sittlichen Zustand, Hiob 27, und auf einen einzelnen Fall bezogen werden.

 Bei nicht geleisteter Pflicht tritt das Schuldbewußtsein ein und wird zum bleibenden Zustand und dies wirkt ein Gefühl der Unbehaglichkeit, der Unruhe und der Furcht, Prov. 28, 1; Deut. 28, 65–67; Weish. 17, 3 ff., die sich steigert zur Unseligkeit, zu einem Vorschmack der Verdammnis, 1. Joh. 3, 20. Der Mensch fühlt, daß er in Spannung geraten ist mit der sittlichen Weltordnung und mit dem, der sie gemacht hat und aufrecht erhält, mit Gott selber. Er fühlt sich von einer verletzten, feindlichen Macht ergriffen und verfolgt, ohne ihr doch entfliehen zu können (Kain). Das Schuldbewußtsein wird mit der Zeit nicht schwächer, sondern stärker (Shakespeares Macbeth). Zum Bewußtsein der Thatsache kommt noch das Bewußtsein der Schuld an den Folgen der That. Es stellt sich Furcht und Schrecken in dem Gemüte ein vor der Zukunft. Gewissensbisse und Gewissensqual nehmen jede Freudigkeit.