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That. Dies ist der Akt der Zurechnung, wodurch das Gewissen den Menschen nötigt, seine That als seine eigene, von ihm gewollte und begangene That anzuerkennen.

 Zweitens kommt bei der sittlichen Beurteilung in Betracht das Motiv. Eine an sich gute That verliert, wenn sie aus falschen Motiven hervorgegangen ist, den sittlichen Wert, andernteils kann auch eine an sich böse That durch Erwägung des Motivs, welches das Subjekt zu derselben veranlaßte, unter Umständen in ein milderes Licht gerückt werden. (Jephtha, Thamar und Juda, Michal, Augustin.)

 Drittens kommt in Betracht der moralische Kraftaufwand, mit welchem der Mensch den von außen auf ihn einwirkenden pflichtmäßigen oder pflichtwidrigen Einflüssen sich entgegengesetzt hat. Hier gibt es Grade der Schuld und der sittlichen Leistung, je nachdem die Hindernisse oder Förderungsmittel im Guten, die von außen kommen, beschaffen waren. (Kain, Judas Ischarioth, ferner Jerusalem, Matth. 23, 37.) Die sittliche Leistung ist größer, wenn viele Hindernisse zu überwinden waren, die Verschuldung andrerseits ist größer, wenn viele Mahnungen und Förderungsmittel zum Guten vorhanden waren. (Pharao, Bileam, die jüdischen Zeitgenossen des HErrn, Matth. 11, 21–24; 22, 27. – Die Märtyrer.)

 Anm. Schuld ist nicht geleistete Schuldigkeit, das Zurückbleiben hinter der Forderung der Pflicht oder die Übertretung derselben. Das Gegenteil von Schuld ist Verdienst, eine sittliche Leistung, welche durch Erfüllung der Forderung der Pflicht erworben ist.


§ 26.
Die dritte abgeleitete Thätigkeit des Gewissens ist die vollziehende.

 Die vollziehende Funktion des Gewissens nimmt das Gefühl in Anspruch. Nachdem das Gewissensurteil gefällt ist, wird es vollzogen, vollstreckt, natürlich nur innerlich, d. h. die gute That wird belohnt, die böse bestraft. Das Gewissensurteil ist nämlich begleitet entweder von dem Bewußtsein der befriedigten Pflichtforderung, und dies wirkt ein Gefühl der Befriedigung, des Friedens, oder der nichterfüllten, und dies letztere wirkt ein Gefühl der Nichtbefriedigung, des Unfriedens. Je öfter das Gewissen dem Menschen das Zeugnis des Recht- und Wohlverhaltens ausstellen kann, desto öfter wird dem Menschen der Genuß dieses Friedens zu teil und diese sich wiederholenden Empfindungen bilden zuletzt eine Kette von seligen Momenten, die sich immer mehr einer zuständlichen Seligkeit nähern, wenn das Gute im