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Sündengreuel), des Todes würdig sind,“ auch Röm. 1, 20. Sie haben ihn auch suchen und fühlen können, Akt. 17, 27, d. h. es ist ihnen ein gewisses Verlangen nach Gott geblieben. Aber eine beseligende Erkenntnis und Gemeinschaft mit Gott haben sie nicht.


§ 22.
Die Geschichte der sittlichen Entwicklung der Menschheit im natürlichen Zustande im Guten und Bösen.

 Das Heidentum. Das Heidentum stellt die Menschheit dar in ihrem natürlichen Zustand, aber sich selbst überlassen, nicht ohne göttliche Leitung im allgemeinen (Akt. 14, 17: „Er hat sich ihnen nicht unbezeugt gelassen“; Akt. 17, 26: „Er hat Ziel gesetzt, wie lange und wie weit sie wohnen sollten“), aber ohne besondere Offenbarung (Ps. 147, 19. 20: „Er zeigt Jakob sein Wort, Israel sein Recht; so thut er keinem Heiden.“ Akt. 14, 16: „Er hat sie gehen lassen ihre eigenen Wege“); er will an ihnen zeigen, was die Menschheit, sich selbst überlassen, im Guten und Bösen vermag.

 a) Daß die Heiden auch im Guten etwas vermögen, bezeugt die Schrift Röm. 2, 14: „Sie thun von Natur des Gesetzes Werk,“ cf. V. 27, wo der Heiden Werke den Juden zur Beschämung vorgehalten werden. Das Gleiche findet statt bei den Niniviten. Man denke an die Königin von Saba, den Syrer Naemann, an die Weisen aus Morgenland, wiewohl diese alle schon in Berührung mit der besonderen Offenbarung gekommen sind. Am deutlichsten sieht man, was die Heiden im Guten vermocht haben an den Kulturvölkern der alten Welt, besonders an den Griechen und Römern. Hier muß man wieder unterscheiden, was sie im Wissen geleistet haben und was im Leben. Das erstere steht ungleich höher als das letztere. Das Höchste in dieser Beziehung sind die Sätze und die ganze Richtung des Sokrates (man denke an seinen obersten Satz: „Erkenne dich selbst!“). Wahrhaft ideal sind die sittlichen Anschauungen des Plato. (Er setzt als Ziel aller menschlichen Bestrebungen das „Gottähnlichwerden“. Das Höchste, das es gibt, sind die Ideen des Guten, Wahren, Schönen. Das Gute ist ihm Gott selbst, das höchste Gut. Der Mensch lebt für eine höhere Welt, seine Seele ist unsterblich; jenseits folgt Belohnung des Guten, Bestrafung des Bösen.) Aristoteles bildet die sittlichen Anschauungen des Plato weiter aus und korrigiert sie zum Teil. Die beiden letzteren sind die Schöpfer der Wissenschaft der Ethik. Aber auch