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gesetzt durch das Verbot Gottes, daß er von dem Baum der Erkenntnis Gutes und Böses nicht essen solle, bei Strafe des Todes, Gen. 2, 16–17. Das Böse kannte der Mensch nur dem Namen nach, es war ihm etwas Fremdes und so, daß die Sünde bloße Möglichkeit ist, hätte es immer sein sollen. Aber er sollte sich freithätig und mit allem Bewußtsein gegen die Sünde entscheiden lernen, damit er sich im Guten befestige; das war Gottes Absicht mit der Prüfung. Es naht ihm aber auch, indem Gott es aus der ebengenannten Absicht zuläßt, die Macht der Sünde und des Bösen, die in der höheren Geisterwelt durch einen Abfall von Gott bereits sich gebildet hatte. In der Schlange redet der Teufel, der oberste der abgefallenen Engel und führt den Menschen in Versuchung durch Lüge und Trug, indem er die verbotene Frucht hinstellt als etwas, was dem Menschen ein ihm noch fehlendes, das höchste Gut bringt, 1. Mos. 3, 1 ff.

 So naht dem Menschen die Versuchung, d. h. die Zumutung, das göttliche Gesetz zu übertreten und zu sündigen. Die verführende Macht der Sünde liegt in dem angenommenen Schein des Guten und in der Verheißung eines zu erwartenden Gutes. Der Verführer wendet sich an den schwächeren Teil, an das Weib, und durch Eva wird Adam verführt, Gen. 3, 6; cf. 1. Tim. 2, 14. Daß die Menschen verführt sind durch eine böse Macht außer ihnen, ist ein sehr wichtiges Moment und unterscheidet die Sünde des Menschen von der Sünde des Satans spezifisch, indem die letztere aus ihm selbst kam durch eigenste Schuld. – Es gibt menschlich Böses und teuflisch Böses (Jak. 3, 15).


§ 18.
Die entscheidende freie That des ersten Menschen. Die Genesis der Sünde. Der Fall und dessen Größe.

 Die Genesis der Sünde ist, daß in dem Menschen die widergöttliche Lust und der Zweifel erweckt wird, durch welchen die Autorität des göttlichen Wortes erschüttert und damit dem Menschen der sittliche Halt entzogen wird. Es wird in dem Menschen, zunächst in dem Weibe, dem der Versuchung zugänglicheren Teile, die Lust erweckt, das Begehren nach einem von Gott verbotenen Gegenstand. Die Lust nämlich spiegelt dem Menschen den Gegenstand seines Verlangens als ein begehrenswürdiges, lockendes und reizendes Gut vor. Mit dem täuschenden Schein eines Gutes, eines Glückes, umkleidet die Lust dem