Seite:Friedrich Bauer - Christliche Ethik auf lutherischer Grundlage.pdf/366

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

 Nun ist noch die Rede von den Wirkungen dieser speziellen Hoffnung, von der man ja nicht wird sagen können, der Christ habe sie nicht nötig, wenn schon sie sich nur auf den vorläufigen Abschluß des Reiches Gottes bezieht; sie übt dennoch einen fördernden und vollendenden Einfluß auf das christliche Leben aus, und zwar um so mehr, je näher das Ende heranrückt. Es ist vor allem der klare Blick in die Zeit und die richtige Beurteilung der Zeichen der Zeit, die durch diese Offenbarung, wenn wir sie uns aneignen, uns ermöglicht wird; welche Zeit, wieviel Uhr es ist, erfahren wir annähernd auf diesem Wege. Ohne diesen Aufschluß der Offenbarung, ohne das richtige Verständnis derselben, haben wir kein Licht beim Blick in die Zukunft, sondern tappen und tasten im Finstern; ebendeswegen kann uns ohne sie auch kein richtiges Urteil über die politischen und kirchlichen Zustände unsrer Gegenwart beiwohnen. Vor allen Dingen ist das richtige politische Urteil, nicht das Urteil im Sinne der Staatsmänner und Diplomaten, sondern das rechte christliche Urteil über die großen Weltbegebenheiten ganz von dieser Stellung zur Offenbarung und zu ihren Aufschlüssen abhängig. Der Ansatz zur Bildung einer letzten Weltmacht, die allmähliche Bildung der antichristlichen zehn Vasallenreiche, von denen wir ein rechtes Vorbild im Napoleonismus haben, wie denn überhaupt der erste Napoleon mit seinen Rheinbundfürsten und Vasallen unleugbar der vollendetste Typus des Antichrists der letzten Zeit ist, werden wir dann mit erleuchteteren Augen ansehen, als es sonst möglich wäre. Bei solchem Standpunkt wird man auch soziale Erscheinungen, wie die Sozialdemokratie, die Kommune, beurteilen können, nicht beim oberflächlichen Urteil stehen bleiben, nicht bloß ein Attentat gegen das Kapital darin sehen, sondern die beginnende Offenbarung des Geheimnisses der Bosheit, die satanische Unterminierung aller Rechtsordnung, die noch der göttliche Faktor im Völkerleben ist, die Herstellung und Anbahnung des Zustandes der ἀνομία dessen persönliche Verkörperung der ἄνομος der Antichrist ist, wie er 2. Thess. 2, 8 heißt, der alles Recht aufhebt und dafür seine Willkür setzt. – Auch in kirchlicher Beziehung wird das Urteil durch diese Stellung zur Offenbarung bedeutend beeinflußt. Gegenüber dem Wahn einer allgemeinen Verchristlichung der Welt, eines Durchdringens des Sauerteigs durch den Teig der Menschheit, gegenüber jenem trunkenen Optimismus, der sich selber fortwährend belügt und täuscht, ist hier ein nüchternes Urteil über die kirchliche Entwicklung möglich. Anstatt einer Verbreitung kirchlichen Einflusses müssen