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der Christenheit tritt der letzte Abschluß dominierend hervor, darum sei auch dieser Hauptteil der Christenhoffnung hier an erster Stelle behandelt. Diese Hoffnung wirkt ein stetiges Warten des Christen hier und dort; denn wie wir aus Apok. 6, 10 schließen dürfen, warten auch die Seligen im Himmel, sie warten auf ihres Leibes Erlösung, wie in ihrer Weise die Gläubigen auf Erden, Phil. 3, 20. Aber vor allem ist es doch das Verlangen nach dem Anblick des HErrn und der Vereinigung mit ihm, was dieses Warten kennzeichnet. Das bräutliche Warten auf den HErrn ist ja die Signatur der ersten blühendsten Zeit der Kirche, das Echo auf das Wort des HErrn: „Siehe, ich komme bald“ war ja: „Ja komm, HErr Jesu!“ Dieses Warten wirkt selbstverständlich ein stetes Wachen, eine heilige Wachsamkeit und Bereitschaft, Munterkeit der Seele, emsiges Bemühen zur Reinigung von Sünden. Diese Hoffnung gibt der Seele Hebung und Schwung und hat eben dadurch eine Kraft, sie über die Gemeinheit der Sünde hinwegzuheben, sie in die rechte Verfassung zu setzen, wie sie für die Erlangung der ewigen Güter nötig ist, Luk. 21, 36. Die Zeiten, in welchem das Hoffnungsleben der Kirche am blühendsten war, waren auch die sittlich gehobensten, wir dürfen ja nur an die erste Kirche denken, und wenn wir die Schilderung der Kirche am Ende in der Offenbarung lesen, wo die Kirche der Letztzeit Apok. 14 genannt wird eine Schar von Jungfrauen, die dem Lamme nachfolgen, die sich nicht befleckt haben, da zeigt sich die reinigende Kraft der Hoffnung.

 Diese Hoffnung wirkt auch ein anhaltendes und dringendes Beten um das Kommen des Reiches Gottes. Die Hoffnung wird ein Sporn für das Gebet um die Vollendung des Reiches Gottes auf Erden. Die Hoffnung, daß der HErr kommen wird, wird naturgemäß zum Gebet: Komm, HErr Jesu! Apok. 22, 17.

 Diese Hoffnung wirkt auch eine Stärkung des Glaubens wider alle Zweifel und Anfechtungen. Insofern die Hoffnung uns den Ausgang des Kampfes hier auf Erden, den Sieg und Triumph des Reiches Gottes am Ende zeigt, wirkt sie auch auf den Glauben stärkend zurück, so daß er standhält, auch wo die Gegenwart nicht der verheißenen Zukunft ähnlich noch eine Vorbereitung derselben zu sein scheint, auch da, wo die Lage der Gegenwart die verzweifeltste ist; Hebr. 11, 1. Dort ist ja der Glaube in seinem wesentlichen Zusammenhange mit der Hoffnung gefaßt und ist als die Kraft bezeichnet, vermöge welcher der Mensch unter schwierigen Umständen auszuharren tüchtig wird; denn