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ist eben das Heil nur teilweise, anfangsweise verwirklicht. Daher teilt sich die christliche Hoffnung in eine nähere und eine fernere und dies hat seine besondere Bedeutung für die Jetztzeit und für den während ihrer Dauer aus dem Leben scheidenden Christen. Für diesen kommt zunächst nur ein Teil der Christenhoffnung in Betracht. Doch ist der Gegenstand dieser Hoffnung schon so reich und herrlich, daß bereits davon das Herz sich selig fühlen kann. Der scheidende Christ geht unmittelbar in seine eigentliche Heimat der Seele nach und in alle Herrlichkeit, die dieser Zustand bieten kann; er geht in seine Heimat, das haben wir schon früher hervorgehoben, daß dies die Anschauung der heiligen Schrift ist, 2. Kor. 5, 5–8. Das Sterben ist für den Christen das Kommen ins Vaterhaus, Joh. 14, 2; Phil. 1, 23; 3, 20, 21. Zu betonen ist das Wort unmittelbar. Der Christ geht unmittelbar durch den Tod in seine Heimat, der Seele nach. Es geht also nicht erst durch einen Läuterungsort, durch ein Läuterungsfeuer hindurch, was natürlich eine sehr modifizierte Vorstellung vom Sterben und dem Zustande nach dem Tode herbeiführen muß. Es ist der Vorteil und nicht der geringste des gläubigen evangelischen Christen, daß ihn im Tode nicht das Schreckensgespenst des Fegfeuers ängstet, der Tod schrumpft so für ihn zu einem schrecklichen Augenblick zusammen, hinter dem dann unmittelbar der Himmel und die Seligkeit steht. „Nach den letzten Augenblicken des Todesschlummers folgt Entzücken, folgt Freude der Unsterblichkeit.“ Es gehört hierher auch das Wort des HErrn zum Schächer Luk. 23, 43. Der Schächer hatte sich dem Andenken des HErrn für eine ferne Zukunft empfohlen. Der HErr aber gewährte ihm augenblickliche Erfüllung seiner Bitte und sagt: „Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.“ Das Paradies ist ja aber der Ort, wo die Seligen mit Gott dem HErrn Gemeinschaft haben, das Paradies war ja auch auf Erden der Ort, wo Gott mit den Menschen verkehrte; also ist das verruchte Leben des Schächers mit seinen Raub- und Mordthaten, nachdem er das, was er verbrochen, gründlich und herzlich bereut hat, kein Hindernis für ihn zur Seligkeit, nicht einmal einen Aufschub bewirkt es, der HErr verheißt ihm, daß er heute noch mit ihm im Paradiese sein werde. Doch freilich, so gewiß damit die Hauptsache für den Christen bereits gegeben und gewonnen ist, ist dieser Zustand der Seele doch noch ein solcher, der einen Mangel hat. Die Seligkeit der ihres Leibes entkleideten Seele ist noch keine Vollkommenheit, sondern ein halbiertes Wesen. Die