Seite:Friedrich Bauer - Christliche Ethik auf lutherischer Grundlage.pdf/353

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

an der Vergangenheit, die jedoch für ihn lebendige Gegenwart ist; denn ihm ist der gekreuzigte Jesus nicht ein Jude, der vor bald 2000 Jahren gelebt hat, er ist ihm gegenwärtig und er hat ihn gegenwärtig und sein Heil, davon er alle Tage leben will. Die Hoffnung schaut in die Zukunft, der Glaube haftet an den Thatsachen des Heils und an den Verheißungen Gottes, die, obwohl in der Vergangenheit geschehen, ihm doch immer Gegenwart sind. Nach Hebr. 11, 1 ist der Glaube eine gewisse Zuversicht des, das man hofft u. s. w. Hier würde, wenn wir den Begriff des Glaubens in engerm Sinn nehmen, nur die zweite Hälfte passen. Der Glaube ist ein Überzeugtsein von Dingen, die nicht sichtbar sind, von der Realität der unsichtbaren geistigen Welt. Ich glaube, daß Gott ist, ich glaube, daß mich Gott in Jesu Christo liebt, ich glaube, daß er mir die Sünde vergibt im Himmel, wenn sie mir auf Erden vergeben wird, ich glaube, daß er mich speist im heiligen Abendmahl mit seinem Leib und Blut – das sind lauter Dinge, die Sache des Glaubens sind, weil sie unsichtbar, nicht Gegenstände der sinnlichen Wahrnehmung sind. Es ist also der Unterschied der, daß der Glaube eine Überzeugung von der Realität der geistlichen Welt ist, im Gegensatz zu jener Überzeugung, die aus der sinnlichen Wahrnehmung stammt. Sofern der Glaube aber eine Gewißheit zur Erlangung zukünftiger Dinge und Güter ist, sofern fällt er zusammen mit der Hoffnung und nennt man das entsprechende Verhalten des Christen statt glauben lieber hoffen. Der Glaube hat das schon, was er dereinst schauen wird, die Hoffnung aber sieht auf das Gut, das jenseits liegt und hat darum wesentlich den Charakter des Harrens, Wartens, Entbehrens. Der Glaube hat, was er noch nicht sieht, die Hoffnung sieht auf das, was sie noch nicht hat, daher in der heiligen Schrift der Gegensatz zum Glauben das Schauen ist, 2. Kor. 5, 7, der Gegensatz zur Hoffnung aber der Besitz, Hebr. 11, 13; 13, 14. Man kann freilich sagen, daß die Hoffnung auch eine Art Antizipation der Zukunft, eine der Wirklichkeit voraneilende Besitzergreifung des Gehofften sei. Aber immer bleibt doch der wesentliche Unterschied, daß der Glaube hat, was er nur noch nicht schaut, die Hoffnung aber schaut, was sie in Wirklichkeit noch nicht besitzt. Gegenstand des Glaubens sind Thatsachen, Realitäten, die Thatsachen des Heils und die daraus entsprungenen tatsächlichen Verhältnisse Gottes zu der Menschheit, Gegenstand der Hoffnung sind Güter. Im Alten Testament ist häufig da, wo wir jetzt den Ausdruck