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„Solls ja so sein, daß Straf und Pein auf Sünden folgen müssen, so fahr hier fort, nur schone dort und laß mich hier wohl büßen.“ Der Mensch wird dadurch aus der Trägheit aufgerüttelt und ins Gebet und Wort getrieben. Jes. 28, 19.

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 7. Gefahr des Kreuzes. Die Gefahr liegt in der Versuchung zum Fall oder gar zum Abfall. Im Kreuz liegt zunächst für den alten Menschen die Versuchung zur Ungeduld, zum Murren, der Äußerung der Ungeduld, ja es kann vorkommen, daß das Kreuz selbst das Murren steigert bis zur Lästerung, Apok. 16, 21. Es ist dies ungeduldige Wesen eben das Aufbäumen des alten Menschen, der wider den Stachel löckt, den Gott gegen ihn führt. Mit diesen Zeiten des trotzigen Aufbäumens und Löckens wider Gott wechseln dann wieder Zeiten der Depression, d. h. der tiefsten Niedergeschlagenheit und einer an Verzweiflung grenzenden Melancholie, Jer. 17, 9; Jes. 59, 11. Es ist ein scheinbarer Widerspruch, eine Vereinigung entgegengesetzter Zustände, wenn vom Herzen gesagt wird, es sei ein trotzig und verzagt Ding, und doch ist es eines der tiefsten Worte der heiligen Schrift. Das Herz des natürlichen Menschen – und der Christ trägt ihn ja auch an sich – wechselt zwischen dem Trotz und seinem Gegenteil, der Verzagtheit, und ist der Umschlag der einen Stimmung in die andere oft das Werk eines Augenblicks. Das drückt der Prophet Jesaia aus, indem er sagt: Einmal brummen wir wie die Bären, das andermal ächzen wir wie die Tauben. Damit sind die beiden Hauptgefahren des Kreuzes angedeutet. Es kann den Menschen zum Fall bringen, der Mensch kann durchs Kreuz zu Schanden werden, entweder durch Ungeduld und Trotz oder durch Verzagtheit und Verzweiflung an der Barmherzigkeit und Gnade Gottes, daher Luther in der Auslegung der sechsten Bitte mit Recht sagt: Wir bitten in diesem Gebet, daß uns Gott wolle behüten und erhalten, auf daß uns der Teufel, die Welt und unser Fleisch nicht betrüge, noch verführe in Mißglauben, Verzweiflung u. s. w., denn wenn der Mensch den Glauben verliert und in Verzweiflung hinsinkt, so ist auch die Lasterbahn für ihn eröffnet, das ist wiederum eins von den psychologischen Rätseln für den, der keine Erfahrung hat, aber nicht für den, der es gelernt hat im Leben an sich und andern, wenn hier die Verzweiflung als die Mutter greulicher Schande und Laster hingestellt wird. Der Erklärungsgrund liegt darin, daß einem, der verzweifelt, in und mit dem Glauben an Gott der letzte sittliche Halt genommen wird. Nach dieser doppelten Richtung hin also kann das