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und Gregor dem Großen an, besonders aber in der Zeit der Reformation und hernach, in beiden Kirchen (Palestrina, Vittoria, Lotti, Händel, Bach). Auch die Dichtung hat ihre Inspirationen vielfach aus dem Heiligtum entnommen, entweder die Thatsachen der heiligen Geschichte verherrlicht (Heliand) oder Leben und Lehre der Kirche in dichterischer Erhebung dargestellt (Dante) oder das Innenleben des Christen in der heiligen Lyrik zum Ausdruck gebracht, die gleichsam als eine Fortsetzung der Psalmenlitteratur angesehen werden kann (die Lyriker des Mittelalters und das evangelische Kirchenlied).

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 Die Wissenschaft gehört dem natürlichen Guten an und bewegt sich vom Christentum unabhängig, selbständig auf ihrem Gebiet. Aber trotzdem kann man von einer christlichen Wissenschaft reden und die Wissenschaft christlicher Völker soll eine christliche sein, nicht in dem Sinn, daß das Christentum die Wissenschaft beherrschen und ihr die zu findenden Resultate vorschreiben dürfte; das wäre ein Gewaltakt. So that die römische Kirche, als der Papst verbot zu glauben, daß es jenseits des Ozeans eine neue Welt gäbe. Diese Verbote haben die Kirche mit dem Fluch des Lächerlichen behaftet. Aber das Christentum kann, weil der übernatürlichen Welt angehörend, der weltlichen, natürlichen Wissenschaft ihre Grenzen zeigen, welche eben mit den Grenzen des Sichtbaren zusammenfallen. Das Christentum verlangt, daß die Wissenschaft innerhalb ihrer Grenzen bleibe, die Vernunft sich nicht Eingriffe in die Offenbarung erlaube. Wenn ein Philosoph Sätze der Offenbarung als Resultat eigenen Forschens herausgäbe, so wäre das Betrug. Wenn andrerseits ein Geognost fände, daß die geognostischen Untersuchungen mit der Bibel nicht übereinstimmten, und er wollte dies verheimlichen, so wäre dies Falschmünzerei. Der Gegensatz, in welchen sich oftmals die weltliche Wissenschaft zum Christentum stellt, beruht nicht sowohl auf dem, was die Wissenschaft thatsächlich gefunden hat, sondern auf den Schlüssen, die aus dem Gefundenen gezogen werden, die doch erfahrungsmäßig oftmals irreleiten, weil nicht alle in Betracht kommenden Momente bekannt sind – oder auf Hypothesen, die man zur Erklärung der Entstehung der Welt oder der Vorgänge in ihr aufstellt. Hypothesen sind noch keine Wahrheiten. Ein christlicher Forscher wird sich hüten, auf Grund seiner Forschungen Hypothesen aufzustellen, die dem Christentum schaden können; er wird, falls er in gewissenhafter Forschung zu Resultaten gelangt, welche christlichen Sätzen zu widersprechen scheinen, um deswillen sein Christentum nicht