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Wahl; doch wird dies immer nur annähernd gelingen. Bei der Ethik kommt noch eine Anforderung hinzu, daß der Ausgangspunkt zugleich den Zielpunkt in sich fassen muß. Es liegt in der Natur der Sache, daß sowohl der Ausgangs- als der Zielpunkt bestimmend und normierend, erweckend und ermunternd für das sittliche Thun des Christen wirkt.

 Die Gottesebenbildlichkeit des Menschen mag füglich als Prinzip der christlichen Ethik gelten. Sie befaßt Anfang und Ziel in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit im ganzen und des einzelnen Menschen. Sie bezeichnet die Idee, nach welcher Gott den Menschen geschaffen hat, sowie seine endliche Zielbestimmung, den hohen Adel seiner Natur samt der ganzen sittlichen Anlage, sowie die künftige Herrlichkeit, der er zugeführt wird, und die er erringen soll. Es ist also damit die zwischen beiden Punkten liegende normale Lebensrichtung des Menschen gesetzt.

 Innerhalb dieses Ausdruckes liegt aber ferner die ganze Geschichte des Falles und der Erlösung. Der Verlust der Gottesebenbildlichkeit, soweit man davon reden kann und muß, führt nach dem ewigen Ratschluß Gottes die Erscheinung dessen herbei, welcher das wesentliche Ebenbild Gottes ist und welcher alles erwirbt und urbildlich darstellt, was nun die erlöste Menschheit in ihm wieder werden soll und kann. In ihm hat die Menschheit einen neuen Anfang und ihr höchstes und letztes Ziel, ihren Mittelpunkt gewonnen. An die unverlierbaren Reste der Gottesebenbildlichkeit des Menschen knüpft der hl. Geist mit seinen Wirkungen an, um den gefallenen Menschen umzuwandeln und von Stufe zu Stufe zu verklären in das Bild Christi. Alle Tugenden, die der Christ anzieht, sind Züge vom Bilde Christi; alle Lebensverhältnisse, die er mit dessen Geist durchdringt, werden göttlich gestaltet und verklärt. Die Leiden dieser Zeit machen den Christen seinem Herrn gleichförmig. Indem er schon auf Erden, im Stande seiner Erniedrigung ein Herr aller Dinge wird, wird er endlich der Herrlichkeit seines Herrn in vollkommenem Maße teilhaftig. Dies ist der ganze Inhalt der Ethik.

 Es ist dabei nur zweierlei zu bemerken. Das eine ist das, daß der Christ dieses Ziel nicht erreicht, außer in der Gemeinschaft. Wie er von der Gemeinschaft getragen wird, so hat er an deren Vollendung zu arbeiten und wird nicht vollendet ohne das Ganze der erlösten Menschheit und Kreatur. Dieser Gesichtspunkt wehrt der