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sagt ein Sprichwort (1. Petr. 5, 3; Tit. 2, 7; 1. Tim. 4, 12; 2. Thess. 3, 9; Phil. 3, 17). Die umwandelnde sittliche Kraft des Evangeliums soll im Hirten zur Erscheinung kommen, damit das Wort Gottes in seinem Munde volle Wahrheit sei, ohne daß an ihn der Anspruch erhoben wird, daß er von dem Orden der Sünder ausgeschlossen sei.

 g) Die Armen- und Krankenpflege. Es ist Pflicht jedes Christen, sich der Armen und Kranken anzunehmen, wie er eben kann und wie es ihm durch die Verhältnisse nahegelegt ist, Röm. 12, 13. Es ist das Feld groß, auf dem diese Liebespflicht zu üben ist. Aber auch hier begegnen wir apostolischen und somit göttlich sanktionierten Ordnungen und Einrichtungen, wodurch besser als durch Privatthätigkeit der Zweck erreicht wird.

 Die eine Einrichtung ist die Diakonie, deren Entstehung wir Akt. 6 lesen und die sich unter der Leitung der Apostel weiter ausgebildet hat, 1. Thess. 4, 9–12; 2. Thess. 3. Das Eigentümliche dieser Einrichtung besteht darin, daß für diese Liebesthätigkeit ein besonderes Amt, Kirchenamt, geschaffen wurde mit männlichen und weiblichen Gliedern, Röm. 16, 1; 1. Tim. 3, 11; 5, 9, daß also die Liebesthätigkeit organisiert erscheint unter Leitung von Geistlichen. Die Diakonie ist eine Fortsetzung des Amtes des größten Diakonus, der dazu in die Welt gekommen ist, nicht daß er sich dienen lasse, sondern daß er diene, Matth. 20, 28. Dies ist der Anstoß zu der großen Liebesthätigkeit gewesen, die die Kirche geübt hat, auch noch, nachdem die eigentliche Diakonie hingefallen war, wie sie sich noch in tausenderlei großartigen Wohlthätigkeitsstiftungen erhalten hat. Daß unsre Zeit die Diakonie nach gewissen Seiten wieder erweckt hat, ist ein gutes Zeichen für die Kraft der thätigen Liebe, die sich in ihr findet. Der Geist der barmherzigen Liebe und ihrer Werke ist in der Kirche nie ausgestorben, aber man kann die Mängel derselben leicht bemerken, wo die göttlich sanktionierte Ordnung der Diakonie fehlt. Darin liegt eine ganz andre Macht und eine ganz andre Gewähr und darum auch ein ganz andrer Erfolg. Man sieht, daß sich die Kirche frei, ohne die Form und Einrichtungen auf dem Gebiet der Barmherzigkeit bewegen kann, aber daß nie etwas Ordentliches daraus wird, wenn es nicht in den Bahnen göttlicher Einrichtungen geht.

 h) Das Gebet der Ältesten am Krankenbett mit der Ölung. Daß das Gebet am Krankenbett geübt wird, ist eine Sache, die sich für den Christen von selbst versteht, auch wohl, daß der Geistliche den