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sei, da kein öffentlicher Ausschluß oder ordentlicher Prozeß des Bannes gehalten werde (Conc. Form. Epitome XII, 560, 26). Schwenkfeld und die Donatisten (wie die Novatianer) machen die Reinheit der Kirche, welche durch Ausschluß der ärgerlichen Elemente erzielt wird, zu einem Wesensmerkmal der Kirche; darin liegt der Irrtum. Der sittlich schlechte Zustand einer Gemeinde macht dieselbe noch nicht des Charakters der rechten Kirche verlustig. Es ist ein schlechter Zustand, der aber den Wesensbestand nicht aufhebt, der ja wechselt und wieder besser werden kann. Luther beklagt den Mangel des Zuchtprozesses und ist ernstlich gewillt, ihn einzuführen, muß sich aber überzeugen, daß er nicht auszuführen ist. Grund: in den Massenkirchen tritt unvermeidlich in dieser Beziehung eine Veränderung ein. Die Gemeindezucht, soweit sie auf dem Mehrheitsbeschluß der Gemeinde ruht, ist unausführbar geworden. Die Zahl der unreifen und Namenchristen ist überwiegend. Die Kirche ist Missions- und Völkerkirche geworden, auch durch Gottes Zulassung. Da kann die Kirche nur den Mangel dieser Zucht beklagen, wie ihn alle treue Lehrer der lutherischen Kirche beseufzt und beklagt haben; cf. Daniel Schneider, Unparteiische Prüfung des Kaspar Schwenkfeld, 1708; Augustin verweist gegen die Donatisten auf Hesekiel 9. Aber sie kann die Zuchtordnung, wie sie in der apostolischen Zeit gehandhabt wurde, nicht wieder herstellen. Genannter Schneider führt auch die Zeugnisse Luthers und anderer Lehrer über die Notwendigkeit der Kirchenzucht an und weist auch nach, daß die Augsburger Konfession und die Apologie die Kirchenzucht ernstlich wollen in der einzig möglichen Weise für die Massenkirchen, nämlich der Abendmahlszucht; conf. Aug. XXV: „nulli admittuntur nisi antea explorati et absoluti“; Apol. XXIV, v. der Messe, p. 248. 259. Das Verhör vertritt die Stelle der Gemeindezucht, noch mehr die Privatbeichte, Art. XI, die auch die Augsburger Konfession nicht fallen lassen will, Art. XXV.

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 An die Stelle der apostolischen Gemeindezucht, die nur in Gemeinden mit freier Bildung und leichterem Zu- und Abgang der Glieder möglich ist, trat in der Staatskirche, namentlich in der mittelalterlichen Zeit im Abendland, das Beichtinstitut, welches die Stelle der Gemeindezucht vertrat, und einen mächtigen Einfluß auf die Massen übte, nur daß der Bann vielfach mißbraucht wurde. Auch jetzt ist in der lutherischen Staatskirche nichts anderes möglich, als durch Zurückweisung vom heiligen Abendmahl Zucht zu üben, weshalb