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Der Zweck ist hier die bestimmende Macht, aus ihm erzeugt sich mit innerer Notwendigkeit eine Form des Gottesdienstes, die nichts ist als eine freie Entfaltung der apostolischen Ordnung, die Akt. 2 erscheint als selbstverständliche Weise des gottesdienstlichen Lebens der christlichen Gemeinde.

 b) Die Sonntagsfeier erscheint als christliche Sitte in der apostolischen Zeit. Der Tag des HErrn wird als bestehende Einrichtung erwähnt (Off. 1, 10). Der Sonntag ist nirgends in der Schrift geboten. Die Anschauung, daß der Sabbath von der Kirche in den Sonntag verwandelt sei, ist eine Erfindung, conf. Aug. XXVII, pag. 65, 33. Der Sabbath ist abgethan; 2. Kol. 17, 18. Die christliche Kirche hat den Sonntag frei geordnet. Anders die römische und reformierte Kirche, die in diesem Punkte nicht das volle Verständnis des Evangeliums haben, sondern etwas Gesetzliches. Nichtsdestoweniger ist der Sonntag aber nicht eine willkürliche menschliche Erfindung, die man nach Gefallen auch wieder beseitigen könnte. Er ist vielmehr eine uralte kirchliche Ordnung, die sich einesteils wieder auf eine allgemeine göttliche Ordnung gründet, einen siebenten Tag nach sechs Werktagen zur Ruhe von der leiblichen Arbeit und zur Beschäftigung mit göttlichen Dingen zu haben (das Allgemeine der Sabbathsidee mit Abstreifung alles speziell Jüdischen), teils auf einen unverkennbaren Wink Gottes, der den Sonntag mit den größten Thatsachen des Heils ausgezeichnet hat und ihm offenbar einen Vorzug vor dem Tag der Schöpfungsfeier gegeben hat. Auch das providentielle Walten Gottes über der Feier dieses Tages durch alle Jahrhunderte zeugt dafür, daß er eine dem Willen Gottes entsprechende Ordnung sei auf dem Gebiet der evangelischen Freiheit, welche die letztere nicht beeinträchtigt, sondern sanft und unvermerkt sich ihr anschmiegt. Doch steht der Christ dieser Ordnung freier gegenüber, sintemal ja die Gemeinde in Jerusalem, wenigstens in der ersten Zeit, alle Tage gleich hielt.

 Mit dem richtig verstandenen Sonntag als Gedenktag der größten Heilsthaten Gottes ist auch die Notwendigkeit der christlichen Hauptfeste gegeben: Weihnachten, Karfreitag, Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten. Ihre Feier ist ein Produkt der christlichen Freiheit, und wenn sich die Feste in ihrer gegenwärtigen Gestalt auch erst in der nachapostolischen Zeit entwickelt haben, so sind sie doch nichts weiter als eine Entfaltung der Sonntagsidee nach ihrer einen Seite und darum wie der Sonntag göttlich gestiftet, wenn auch nicht durch Wort und Befehl