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Erfordernisse, darum sind sie für solche, bei welchen ein solcher Mangel vorhanden ist, unverbindlich, wenn die bessere Erkenntnis kommt. Was Verkehrtheit war zu geloben, bleibt Verkehrtheit, wenn man es hält. Ein sündliches Gelübde darf man nicht halten, so wenig wie einen sündlichen Eid. Damit wäre jedoch in der Reformationszeit keineswegs für alle Klosterleute die Erlaubnis gegeben gewesen, ihr Gelübde zu brechen, wenn nicht der falsche Gottesdienst in den Klöstern diejenigen, die die bessere Erkenntnis aus dem Evangelium gewonnen hatten, herausgetrieben hätte.

 Die drei Klostergelübde sind: 1. ewige Keuschheit, 2. freiwillige, gänzliche Armut, 3. unbedingter Gehorsam gegen die Oberen des Klosters.

 Unter Umständen ist es thunlich, aber mit großer Vorsicht, zu geloben, immer unverehelicht zu bleiben, Matth. 19, 11–12; 1. Kor. 7, 34. 40. Der Mensch muß sich in diesem Falle ganz genau kennen und seiner sicher sein. Ein Gelübde der Ehelosigkeit anderen, z. B. Diakonissen, abzunehmen, scheint zwar fast eine Sache der Notwendigkeit zu sein, wenigstens auf eine gewisse kürzere Zeit, aber es ist doch viel richtiger und evangelischer, dies nicht zu thun und die Gewissen nicht zu binden. Ein Gelübde der Aufrichtigkeit abzunehmen, demgemäß jeder nahende Vorschlag der Heirat den Vorstehern solcher Anstalten anzuzeigen ist, ist durchaus unverfänglich und richtig gehandelt. Das Gelübde der Armut ist da leicht abzunehmen, wo man für Lebenszeit versorgt ist, wie in den Klöstern, und wo man meist alles in Hülle und Fülle hat, was man braucht. Unevangelisch ist solch ein Vornehmen an sich nicht.

 Es sind aber noch etliche ganz unevangelische Formen der Askese in Erinnerung zu bringen. Von der Ehelosigkeit, insofern das Gelübde unevangelisch ist, ist schon geredet. Ganz unevangelisch ist der unbedingte Gehorsam gegen den Vorgesetzten des Klosters. Es steht wohl in der Freiheit eines Christen, das Zölibat zu wählen und die freiwillige Armut, wie St. Paulus. Es kann gewiß auch den Christen das Recht nicht genommen werden, zu kirchlichen Zwecken eine Gemeinschaft zu bilden und nach einer gemeinsamen Regel und Ordnung zu leben. Es ist natürlich und selbstverständlich, daß man durch seinen Eintritt in eine freie Gemeinschaft den Gehorsam gegen die bestehenden Ordnungen und die Vorgesetzten der Gemeinschaft verspricht und gewissenhaft zu halten verbunden ist. Aber unbedingten Gehorsam einem Menschen