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solche, die zugleich Thatsache der Erfahrung ist und bestimmt ist, subjektiv nacherlebt zu werden. So erscheint z. B.:

 das göttliche Ebenbild:
dogmatisch als ein Geschenk, daß der Mensch ein Wesen wurde, mit welchem Gott Gemeinschaft haben konnte,
ethisch als die Befähigung des Menschen zur Lösung seiner sittlichen Aufgabe;
 der Sündenfall:
dogmatisch als der Verlust des Heils,
ethisch als Ursache der sittlichen Ohnmacht;
 die Gesetzgebung:
dogmatisch als Fortschritt in der heilsgeschichtlichen Offenbarung, als Zuchtmeister auf Christum,
ethisch als Fortschritt in der sittlichen Erkenntnis der Menschen;
 die Person und das Leben des HErrn:
dogmatisch unter dem Gesichtspunkt der Heilserwerbung, seine Person als die des Heilmittlers,
ethisch als Vorbild im Christentum, als höchstes Tugendideal;
 die Ausgießung des hl. Geistes:
dogmatisch als Erschaffung einer Glaubensgemeinde und als Befähigung zur Annahme des Heils,
ethisch als Befähigung zu wahrhaft gottgefälligem Handeln.


§ 10.
Die Methode der Behandlung.

 Die christliche Ethik hat gewisse Lehrstücke, die sich überall finden und finden müssen, aber im ganzen hat sie noch keine feste Gestaltung wie die Dogmatik. Die Schwierigkeit, den ungeheuren Stoff zu durchdringen und unter einfache, allgemein befriedigende Gesichtspunkte zu bringen, oder von einem gemeinsamen Grundbegriff aus die ganze Lehre einfach zu entwickeln, ist eine große und noch keineswegs gelöste Aufgabe. Es liegt auch in der Natur der Sache, daß man den reichen und mannigfaltigen Stoff nach verschiedenen Gesichtspunkten und Durchschnittslinien betrachten kann, und jede solche Betrachtungsweise hat ihren Nutzen. Nichtsdestoweniger bleibt es Aufgabe, nach der Einheit der Darstellung und allgemein anerkannten Gesichtspunkten in der Darstellung zu ringen.

 Als gegeben ist zu betrachten der Stoff oder Inhalt der christlichen Ethik, der sich bei allen Darstellungen ziemlich gleich bleibt. Man hat es zu thun:

 a) mit dem handelnden Subjekt und mit seinen sittlichen Zuständen;