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hat uns die Offenbarung das höchste Gut kennen gelehrt: „Gott in Christo Jesu“ und uns gezeigt, wie er sich aus Gnaden uns selbst schenkt, und wie wir durch den Glauben in den Besitz desselben kommen und bleiben; ferner wie es unsre sittliche Lebensaufgabe sei, dieses Gut nicht allein zu bewahren, sondern auch im Leben durch die thätige Liebe zu verwerten und in Hoffnung nach dem Vollbesitz und Vollgenuß desselben (Seligkeit, Herrlichkeit) zu ringen.

 Sie zeigt uns, daß wir diese Aufgabe nicht mit natürlicher Kraft, sondern in Kraft des hl. Geistes erfüllen können, der in uns, mit uns und durch uns wirkt. Sie zeigt uns auch die Mittel, göttliche (Gnadenmittel) und menschliche, wodurch wir die göttliche Kraft in uns aufnehmen, mehren und stärken. So muß es gelingen, dem göttlichen Willen, der Norm des göttlichen Gesetzes gemäß zu leben, indem dasselbe nicht bloß ein außer uns stehender Buchstabe bleibt, sondern in das Herz geschrieben ist (Jer. 31, 33; Ezech. 36, 26).


§ 8.
Unterschied der lutherischen Ethik von der römischen und reformierten.

 Nicht gering ist der Unterschied in der christlichen Ethik, wie er durch den Unterschied der Konfessionen herbeigeführt wird. Es handelt sich hier darum, die Ethik nach den Grundsätzen der lutherischen Kirche zu geben. Sie hat die Grundlagen der Ethik und die meisten ethischen Grundsätze mit den andern Kirchen gemein. Der Hauptunterschied liegt in der Heilsordnung und was damit zusammenhängt, besonders im Gegensatz zur römischen Kirche, die in ihrer Sittenlehre stark vom Semipelagianismus beeinflußt ist.

 1. Der erste Unterschied von letzterer liegt in der Bestimmung des sittlichen Zieles. In der lutherischen Ethik ist das sittliche Verhalten nichts als die Bewahrung des Heilsgutes und Bewährung des Christen, in der römischen aber ist das sittliche Verhalten Erwerbungsgrund des Heils.

 2. Auch die Motive zum sittlichen Handeln sind verschieden. In der lutherischen Ethik sind die Motive die dankbare Liebe zu Gott und die Liebe zu den Menschen, dort aber die Aussicht auf Lohn, wobei die Seligkeit selbst als ein Lohn mit angesehen wird. Das Tridentinum sagt ausdrücklich, daß man sich das ewige Leben durch gute Werke wahrhaft verdienen könne.