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1. Kor. 8, 8. Indessen bekommt das Indifferente eine sittliche Bestimmtheit durch das handelnde Subjekt; so ist z. B. eine sittlich indifferente Handlung das Essen; dies kann aber eine unsittliche Handlung werden 1. durch Gier, 2. durch Neid, 3. durch Unmaß, 4. durch Feinschmeckerei. Die Art und Weise der Übung, das Maß von Zeit oder Kraft, welches darauf verwendet wird, das Motiv, der verfolgte Zweck, auch die Umstände, unter denen sie vorgenommen werden, geben jenen indifferenten Handlungen mehr oder weniger im einzelnen Fall einen moralischen Charakter. Darum ist zu sagen, daß die Lehre von dem sittlich Indifferenten wohl in eine christliche Ethik gehört. Der Begriff des Erlaubten reicht aber wohl weiter als der des sittlich Indifferenten.

 Rothe sieht in dem Erlaubten „ein Gebiet des sittlich Zweifelhaften“. Diese Definition ist verfehlt; denn als sittlich zweifelhaft ist die erlaubte Handlung eben überhaupt keine sittliche Handlung mehr, ist nicht mehr erlaubt. „Was nicht aus dem Glauben geht, das ist Sünde,“ Röm. 14, 23. Glauben heißt hier nichts anderes, als die persönliche individuelle Gewißheit haben, daß man den Gebrauch oder Genuß eines Dinges sich erlauben darf. Auf dem Gebiet des Erlaubten kann ja der Christ in Zweifel stehen, weil ihm die bestimmt lautende Vorschrift des Gesetzes fehlt. In einem solchen Fall gilt dann: was nicht aus völliger Gewißheit und aus Überzeugung geschieht, das ist Sünde, wider das Gewissen.

 Stahl sagt: das Erlaubte liegt auf dem Gebiet der Erholung, des Genusses. Das ist richtig, insofern als Genuß und Erholung zu diesem Gebiet gehören. Es ist nicht schlechtweg so, wie manche sagen, daß Erholung und Genuß Pflichten seien. Der Genuß und die Erholung liegen auf dem Gebiet des Erlaubten; es herrscht hier nicht der strenge Pflichtbegriff. Es ist hier das Erlaubte im Gegensatz zum Gebotenen. Der Genuß an sich ist noch nicht etwas sittlich Gutes, aber auch nichts Sündliches. „Alle Kreatur Gottes ist gut und nichts verwerflich, das mit Danksagung empfangen wird.“ Er ist als Genuß eines bonum naturae selbst naturaliter bonum. Es ist ja gewiß, Genuß und Erholung hat sein Recht; aber „nur genießen wollen, macht“, wie Göthe sagt, „gemein“. Das sittlich Gute hängt mit dem Erlaubten, mit dem Genuß so zusammen, daß ein gewisses Maß von Erholung Pflicht, Übermaß aber Sünde ist. Der Pflichtbegriff steht, wie der Cherub an den Grenzen, innerhalb derer man