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noch auf dem Thron gehalten oder wieder auf den Thron gebracht werden kann, dann hat das neue auf irgend einem Weg Bestand gewonnen, ist stabil geworden, wenn auch nicht rechtmäßig. Da fügt sich der Christ in Gehorsam und Treue. Seine Liebe zum alten Herrscherhaus kann ihm niemand wehren. „Gedanken und Gefühle sind zollfrei.“

 Die Frage nach der Berechtigung der Abschüttelung eines fremden Joches und ähnliche – das sind kasuelle Fragen. Doch ist es nicht schlechthin verwehrt, sich gegen den fremden Dränger zu erheben, zumal ja Gott keine Weltreiche will, und beim Versuch der Gründung solcher die höchsten Güter eines Volkes in Gefahr stehen. Von hier aus sind die sogenannten Befreiungskriege zu beurteilen. (Vgl. die verschiedenen Erhebungen Israels in der Richterzeit im Unterschied zur Erhebung gegen die Römer.)

 Zweiter Exkurs. – Wie verhält sich der Christ zur Frage nach dem Recht der Revolution? Gibt’s für ihn eine Revolution?

 Revolution ist eine sittliche Abnormität, ein verzweifelt böses Mittel, Schäden der Regierung zu heilen durch plötzlichen Sturz derselben; für den Christen gibt es keine Revolution.

 Hieher gehört die Anschauung der anglikanischen Theologen zur Zeit der Stuarts: Der Obrigkeit muß man in allem den schuldigen Gehorsam leisten, außer wenn es gegen das Gewissen geht. Also gibt es einen passiven Widerstand, der den Gehorsam verweigert, aber sich den Folgen auch ruhig und willig unterzieht, ohne sich irgendwie zu wehren (Christenverfolgungen). Dieser passive Widerstand hat eine moralische Gewalt und erreicht, fortgesetzt, oft vieles (Sieg des Christentums im römischen Reich).

 Wie aber ist es bei Tyrannen? Gibt es da kein Recht des Sturzes für das Volk? Das ist eine schwere Frage; aber es ist etwas sittlich Hochbedenkliches, gegen die Regierung aufzutreten. Die Revolution ist immer mit dem Makel des Unrechtmäßigen behaftet, wenngleich sie manchmal wohlthätig ist. Aber sie gleicht einem Gewitter, das zwar die Luft reinigt, doch aber auch viel Schaden anrichtet. Eine der reinsten, sittlich reinsten Revolutionen war die der Niederlande gegen Philipp, bei der es sich um die höchsten Güter des Volkes handelte. So können mildernde Gründe wohl vorliegen, aber ein Recht nicht. Der Gläubige weiß übrigens, daß über der Gewalt des Tyrannen noch die Gewalt Gottes steht. (Auch die Frage nach dem göttlichen Beruf kommt in Betracht.)