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 d) Dazu sieht er darin ein Förderungsmittel zur Erreichung der Zwecke des Reiches Gottes, welche friedliche bürgerliche Zustände fordern.

 e) Er kämpft endlich im Notfall für die Aufrechterhaltung des Rechts und der Ordnung, wenn es sein Beruf verlangt, oder wenn es ihm das allgemeine Wohl zur Pflicht macht (Kriegsdienst). Der Christ pflegt bei sich den Patriotismus und den bürgerlichen Gemeingeist, aber in besonnener Weise, weil er sich immer bewußt bleibt, daß er ein Fremdling auf Erden ist.

 9. Politische Urteile und Bestrebungen des Christen.

 Der Christ erkennt neben dem Stetigen und Unantastbaren im Staatsleben und im bürgerlichen Leben etwas Bewegliches, neben den ewigen göttlichen Grundlagen und den sich gleichbleibenden Bedürfnissen die Unvollkommenheit der menschlichen Einrichtungen und Formen und das Wechselnde der Zeiten und Bedürfnisse. Es gibt viele Einrichtungen und Gesetze, die veralten und nicht mehr passen; daher bedürfen die staatlichen und bürgerlichen Einrichtungen einer beständigen Reform. Der Christ muß grundsätzlich gegen den falschen Konservativismus und die falsche Stabilität, die alles, auch das Schlechte und Unbrauchbare, namentlich wenn es einer gewissen Klasse von Menschen Vorteil bringt, beim Alten belassen will, kämpfen. Es gibt im bürgerlichen Leben keine unveräußerlichen Rechte, keinen unveräußerlichen Besitz. Die Analogie für sein Verhalten findet der Christ in seinem geistlichen Leben, das auf Grund der unveränderlichen Gnade einer stetigen Erneuerung (Reform) bedarf. Übrigens weiß der Christ, daß alles menschliche Recht und alle menschliche Rechtsübung, alle menschlichen Gesetze und Einrichtungen mit Unvollkommenheit behaftet sind, daß oft von den Organen der Gerechtigkeit die größte Ungerechtigkeit geübt wird (summum jus summa injuria), von dem geordneten Regiment der größte Druck. Doch müssen auch mangelhafte Verhältnisse mit Schonung beurteilt und bis ihre Besserung auf geordnetem Weg möglich ist, getragen werden, weil schlechte Rechtspflege, schlechtes Regiment immer noch besser ist als gar keines. –

 Ist aber der Christ gegen falschen Konservativismus, so noch mehr gegen alle Revolution, wodurch das Übel nur schlimmer wird. Wenn sich der Mensch selber helfen will, fordert er die Strafe Gottes heraus. Nicht zu leugnen ist aber, daß zufällig auch manches Gute aus solchen Umwälzungen folgt, wenn sie Gott zuläßt; doch dient dies keineswegs zu ihrer Rechtfertigung.