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erwächst aus der Familie, aus dem Stamm und eine Assoziation, die gemacht ist. Es kann bloß die Frage sein, ob die Staatenbildung in patriarchalischer Weise geschah oder auf Usurpation beruht. Dies in dem Sinne, daß damit die zwei natürlichen Möglichkeiten angegeben werden; denn es kann der eine wie der andere Fall tatsächlich gewesen und vorgekommen sein. Der nun so auf geschichtlichem Wege entstandene Staat, diese auf natürlicher Basis der Volksgemeinschaft sich erhebende Rechtsgemeinschaft – und das ist wichtig für die christliche Anschauung vom Staat – ist zwar nicht als Gottes Stiftung, aber als Gottes Ordnung anzusehen. Stiftung Gottes ist die Kirche, die Ordnung Gottes aber ist der Staat, der auch auf menschlichem Thun beruht, aber von Gott sanktioniert wird und als göttliche Ordnung besteht (Augustana XXVIII; Röm. 13, 1–7; 1. Petr. 2, 13–17).

 Jedes Glied eines Volkes, soweit es selbständige Existenz hat, ist ein Staatsbürger; die übrigen leben als Schutzbefohlene des Staats. Es gibt verschiedene Staatsverfassungen, monarchische und republikanische (Aristokratie, Demokratie). Eine einzigartige und auf unmittelbarer göttlicher Offenbarung und auf göttlicher Institution beruhende Verfassung ist die Theokratie des Alten Testaments, der Priesterstaat in der höchsten Vollendung, bei dem alle sozialen, bürgerlichen und rechtlichen Verhältnisse von göttlichen Gedanken durchdrungen sind (vgl. unten Nr. 5). Das Neue Testament schreibt keine Verfassung vor, es gibt nur allgemeine Grundsätze an, die auf alle Formen und Arten der Verfassung anwendbar sind. Das Christentum zeigt hier seine universale Natur.

 2. Zweck des Staates ist: Rechtssicherheit und Schutz wider alle Gewaltthaten allen Unterthanen zu gewähren, und daher Ruhe und Frieden zu erhalten; ferner alle sittlichen und geistigen Ziele des Volks auf allen Lebensgebieten zu schirmen und zu fördern. Das ist nur möglich durch Ordnung und einheitliche Leitung des Ganzen, welche eine Oberaufsicht über alle Gebiete des öffentlichen Lebens in sich schließt. Die Gewalt des Staates teilt sich in Zivil- und Militärgewalt; die Zivilgewalt in das Gebiet der Gesetzgebung, der Rechtspflege oder Justiz und der Regierung, wozu die Verwaltung gehört. Auch über das religiöse Gebiet übt der Staat wenigstens sein Aufsichtsrecht, da ja jede religiöse Korporation in einem Staate lebt; abgesehen davon, daß unsere Fürsten das Recht des Summepiskopats über die protestantische, vorab über die lutherische, Kirche haben.