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mit ihm zu beten, ihm Sprüche, geistliche Lieder und Gebete einzuprägen, ihm die Bedeutung des geistlichen Tageslaufs, der Woche, der Feste und die Bedeutung der großen Heilsthatsachen nahe zu bringen: das ist die Aufgabe christlicher Eltern, namentlich der Mutter, die im Religiösen den größten Einfluß auf die Kinder ausüben können und je und je ausgeübt haben (Löhe, Hausbuch, Anhang: Betbüchlein. Vom Auswendiglernen). Wahrhaftigkeit, Glaube, Keuschheit sind die Kardinaltugenden der Jugend. Tiefer Abscheu vor Lüge, vor Unglauben und Unkeuschheit muß den Kindern eingeflößt werden (Thiersch, Christliches Familienleben pag. 157).

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 Hauptgrundsatz der Erziehung ist, die Kinder nicht für sich, sondern für den HErrn zu erziehen. Sie sind Jesu teuer erkauftes Eigentum: „auf daß ich sein eigen sei“, nicht das der Eltern, daß sie derselben nach ihrem Belieben gebrauchen dürften. Das ist auch der Eltern Trost, wenn Gott sie ihnen vor der Zeit wieder nimmt, und eine Mahnung an sein Recht. Daraus folgt weiter: die Kinder sollen als Kinder Gottes angesehen und behandelt werden, das ist vorwiegend evangelisch, von wegen der Taufe, wenn auch die ihnen anklebende und mit ihnen wachsende Sünde die Zucht des Gesetzes notwendig macht und sie oft in den Vordergrund treten heißt. Daraus ergibt sich ein weiterer Grundsatz: die Eltern sind nur Gottes Gehilfen bei der Erziehung, 1. Kor. 3, 9; 2. Kor. 6, 1. Wie schwer ist die Erziehung, wie unmöglich in den meisten Fällen für Menschen! Wie tröstlich daher jene Wahrheit! Da werden die pädagogischen Kunststücke wegfallen und geistliche Mittel an ihre Stelle treten. – Ein weiterer Grundsatz, der aus dem vorigen fließt, ist der: die Erziehung besteht mehr in der Bewahrung und Abwehr des Bösen als in der Anerziehung des Guten. Das Unkraut im Garten muß ausgejätet werden, damit der göttliche Same, der in das Kind gelegt ist, möglichst ungehindert aufgehen und gedeihen könne. Wenn man zuviel machen und gestalten will, kann man leicht viel verderben. Doch schließt dies nicht aus, daß man die Kinder zum Guten gewöhnt. Ein Hauptgrundsatz der Erziehung ist der: der Mensch muß zur Freiheit erzogen werden. Dazu bedarf das Kind, der junge Mensch eines gewissen Maßes von freier Selbstbewegung und darum Vertrauens (Maria und Joseph, Luk. 2, 43. 44). Zu ängstliche und pedantische Überwachung macht unselbständige Menschen, welche, wenn sie die Schranken und Fesseln der Aufsicht los sind, desto ungebundener und zügelloser