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Macht genug, den ehelosen Stand erträglich, ja lieb zu machen und ihn zu reinigen und zu heiligen, und die Gabe der Jungfrauschaft in vielen zu wecken. Dieser Grundsatz hat Einfluß auf die ganze Erziehung der Jugend, speziell der Töchter, die nicht für die Ehe, sondern für den jungfräulichen Stand, in dem sie nach Gottes Willen stehen und vielleicht auch bleiben sollen, erzogen werden sollen, und die dadurch geschickter für die Ehe werden, wenn sie nach Gottes Willen in denselben eintreten sollen und wollen (cf. Löhe, Vorschlag zur Vereinigung lutherischer Christen für apostolisches Leben, pag. 70).

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 Der jungfräuliche Stand ist gleich dem ehelichen von Gott geschaffen und darum sind beide gottgefällig, gleicher Ehren wert und gleicher Heiligung fähig. An und für sich ist kein Stand höher als der andere, sind sie beide sittlich gleich und der Unterschied, der besteht, ist nur ein natürlicher. Sittlichen Wert erhalten beide Stände erst durch die Art und Weise der Führung. Man kann sagen: im ehelosen Stand kann man ungeteilter das eigene ewige Wohl und das Interesse des Reiches Gottes fördern; man braucht im Reich Gottes auch milites expediti. So wahr dies ist, so darf man doch andernteils nicht vergessen, daß die Ehe eine große Schule göttlicher Erziehung ist. Der ehelose Stand ermöglicht, sich mehr der Betrachtung, einem beschaulichen und doch auch wieder thätigen Leben im Reiche Gottes zu widmen, aber die Ehe stellt auch eine Aufgabe dem Menschen: in dem Zusammenleben mit dem andern Ehegatten und in der Pflicht, sich gegenseitig zu tragen, abgesehen von all dem Kreuz, das Gott in den Ehestand gelegt. Man kann und soll in beiden Ständen seiner sittlichen Vollendung nachjagen, jeder Stand hat seine eigentümlichen Förderungsmittel, die dem Christen zu seiner sittlichen Vollendung dienen. Wenn aber auch der eheliche und ehelose Stand sittlich gleich stehen, nämlich an und für sich, so muß man doch sagen, daß das Geschenk der Virginität größer ist als die Gabe des ehelichen Lebens; so Melanchthon in der Apologie p. 242, 36 virginitas donum est praestantius conjugio, cf. Amsdorf. Im Altertum hat man den ehelosen Stand über den ehelichen gesetzt. In dieser Übertreibung lag doch auch eine Wahrheit. Denn einmal ist es wahr, daß seit dem Sündenfall der geschlechtliche Verkehr eine Seite hat, die jeden sittlich fühlenden Menschen mit Scham erfüllen muß (Luthers Wort von dem morbus comitialis); zum andern ist der ehelose Stand in der That eine Anticipation des Zukünftigen, des engelgleichen