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 Die andern Ehescheidungsgründe: Wahnsinn, unheilbare ansteckende Krankheit, bürgerlicher Ehrenverlust sind unbiblisch. Solche Erschwernisse der Ehe sollen für den unschuldigen Teil eine Kreuzesschule sein. Noch weitere Scheidungsgründe führt das preußische Landrecht an; aber die betreffenden Bestimmungen sind anzusehen als ein Schandfleck protestantischer Ehegesetzgebung, als da sind: unüberwindliche gegenseitige Abneigung, gegenseitige Einwilligung beider Ehegatten im Fall der Kinderlosigkeit.

 Die oben genannten und überhaupt alle über die heilige Schrift hinausgehenden bürgerlichen Scheidungsgründe (das Ehegericht gehörte anfangs den kirchlichen Konsistorien: später wurde es ihnen genommen und auf weltliche Gerichte übertragen), namentlich die leichtsinnigen Ehescheidungsgründe des preußischen Landrechts sind von seiten der Kirche zu verwerfen. Scheiden kann die weltliche Behörde nach den gegenwärtigen Umständen, aber es kann der Staat der Kirche die Zustimmung dazu nicht abnötigen noch den betreffenden Gliedern der Kirche seine Unterstützung leihen, um von ihr die kirchliche Erlaubnis zur Wiederverehelichung resp. die kirchliche Trauung zu erzwingen.

 Eine kirchliche Trauung solcher aus unbiblischen Gründen Geschiedenen darf unter keiner Bedingung stattfinden, wenn sie auch vor dem Standesamt eine rechtsgültige bürgerliche Ehe schließen können.

 4. Die Wiederverehelichung ist im allgemeinen gestattet nach dem Tod des einen Ehegatten und kann sogar rätlich sein (1. Tim. 5, 14); doch muß bei zweiten und dritten Ehen große Vorsicht gebraucht werden, wenn sie nicht unglücklich ausfallen sollen, namentlich wenn Kinder aus der ersten Ehe da sind. Stiefmütter sind selten recht geeignet, haben selten selbstverleugnende Liebe genug, die Kinder aus erster Ehe wie ihre eigenen zu halten. Auch ist die zweite Ehe in der Regel geringerer Art, es fehlt häufig das ideale Element.

 Bedenken gegen das Eingehen einer zweiten Ehe sind nur bei Geistlichen erhoben worden auf grund der Stelle 1. Tim. 3, 2: Ein Bischof sei eines Weibes Mann.

 Die Frage ist: spricht der Apostel von successiver Polygamie oder von gleichzeitiger? Versteht man das Verbot der sogenannten successiven Polygamie als Inhalt der apostolischen Forderung, so ist der Sinn: „ein Geistlicher darf nur einmal verheiratet sein, die zweite Ehe ist ihm verboten.“ So schließt die griechische Kirche, die dem gewöhnlichen Geistlichen (nicht dem Bischof) die Ehe gestattet, aber nur eine einmalige.