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hat, so ist dem unschuldigen Teil die Erlaubnis zur Wiederverehelichung gegeben.

 Mit jeder der beiden Auffassungen steht es so, daß sich etwas dafür und etwas dawider sagen läßt. Es ist möglich, daß der desertor malitiosus sich bekehrt und Wiederversöhnung begehrt. Dieselbe ist aber dann unmöglich, wenn der andre Gatte unterdessen wieder geheiratet hat. Andernteils ist es aber doch auch eine unbillige Forderung, daß der verlassene Teil auf Geratewohl warten soll, bis der verlassende Teil zurückkommt, 1. Kor. 7, 16. Für die mildere Ansicht macht schon Luther geltend, daß die böswillige Verlassung eine Sünde sei, die dem Ehebruch am nächsten komme, und meistenteils auch zum Ehebruch führe, indem der eine Gatte des andern gern los sein und eine andere Person haben möchte, die ihm besser zusagt. In der Praxis ist freilich mit diesem Scheidungsgrund großer Mißbrauch getrieben worden, indem entweder beide Teile den Plan der Verlassung mit einander verabredeten oder der eine Gatte den andern durch schlechte Behandlung vertrieb und dann mit dem Schein des Rechts auf Scheidung klagte. Die mildere Ansicht hat sich auch noch mit der Stelle Matth. 19 auszugleichen, wo der HErr den Ehebruch als einzigen Scheidungsgrund gelten läßt. Die lutherischen Dogmatiker (Joh. Gerhard) haben es in der Weise gethan, daß sie sagten, Matth. 19 nenne der Herr den einzigen Scheidungsgrund, in dem der Christ die Scheidung aktiv vollziehen dürfe; aber 1. Kor. 7 nenne einen Fall, wo der Christ die Scheidung erleiden müsse (passive). Hurerei und, wenn man der mildern Ansicht huldigt, auch bösliche Verlassung sind die einzigen schriftgemäßen Scheidungsgründe. Diesen am nächsten sind die Sävitien und Insidien. Wo dergleichen stattfindet, ist eine zeitweilige Trennung von Tisch und Bett gestattet, natürlich erst nach vorangegangener Vorstellung des Seelsorgers. Der Apostel verwirft ja diese Trennung nicht unter allen Umständen, 1. Kor. 7, 10. 11. Aus der zeitweiligen Trennung kann auch dauernde werden. Doch darf sie überhaupt bloß unter der selbstverständlichen Voraussetzung, daß der von dem andern getrennte Gatte ehelos bleibt, und unter der Festhaltung der Möglichkeit der Wiederversöhnung zugegeben werden.

 Zur Trennung, und zwar zu einer dauernden, wird es im ersten der angeführten Fälle kommen und schließlich auch wohl im zweiten; genau deckt sich auch der erste Fall nicht mit den 1. Kor. 7, 12 etc. angeführten.