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c. bei ausgesprochenem Unglauben und gröblicher Vernachlässigung der Christenpflicht des einen Ehegatten, 1. Tim. 5, 8, speziell durch bösliche Verlassung.

 Im ersten Fall wird für den christlichen Teil die Fortsetzung der Ehe moralisch unmöglich sein, in den andern beiden kann dies unmöglich werden.

 Die Streitfrage ist die, ob in diesen Fällen der unschuldige Teil die Erlaubnis habe, sich wieder zu verheiraten oder nur getrennt zu leben. Daß der Apostel eine solche separatio quoad torum et mensam unter Umständen für zulässig hält, geht aus v. 10 und 11 hervor, wo er zwar im allgemeinen die Scheidung der Verheirateten im Namen Gottes verbietet, falls aber infolge unheilbarer schwerer Zerwürfnisse der Ehegatten dennoch eine solche Scheidung eingetreten ist, entweder ehelos bleiben oder Wiederversöhnung als Alternative aufstellt. Bei Sävitien und Insidien wird man auf Grund dieser Stelle dem verfolgten und mißhandelten Gatten mit gutem Gewissen die Erlaubnis zur Trennung, nicht aber zur Scheidung und Wiederverheiratung geben können.

 Von den oben angeführten Fällen kommt heutzutage hauptsächlich vor der Fall der eigentlichen „böslichen Verlassung“; dann erhebt sich also die Frage: darf der Gatte, den der andre böswillig verlassen hat, wieder heiraten? In der lutherischen Kirche gibt es, wiewohl die Praxis die Wiederverehelichung erlaubt, doch zwei Richtungen: eine strengere und eine mildere. Nach der ersten Auffassung muß sich der böslich verlassene Teil in den unfreiwilligen Witwenstand fügen, braucht sich aber kein Gewissen zu machen, daß er nicht mehr im ehelichen Stand lebt, sondern kann sich bei der von ihm nicht verschuldeten Trennung beruhigen. (Zugrunde mag hier die Anschauung liegen, der Ehestand sei derjenige, in dem sich ein Christ von Rechtswegen soll finden lassen – eine Anschauung, die in unserer Zeit starke Modifikationen erfahren hat. Der unschuldige Teil muß sich in den unfreiwilligen Witwenstand fügen, braucht sich kein Gewissen über den Schaden, den seine Ehe erlitten hat, machen – er hat nicht Übels gethan, sondern Übels erlitten – und darf sich der Hilfe Gottes getrösten zur Bewährung in diesem Stand.) Die mildere, von den Dogmatikern der lutherischen Kirche vertretene Anschauung dagegen ist: wenn der desertor malitiosus dem Bereich der Kirche sich entzogen und auf die gerichtliche Vorladung nicht geantwortet