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Gradrechnung, und weil die erstere Ehe in der Schrift erlaubt sei, beiderlei Ehen für dispensabel, wodurch eine verderbliche Laxheit in die lutherische Praxis kam, die um jeden Preis beseitigt werden muß, wo die Schrift so klar spricht, wo sie es für eine schändliche That erklärt und die betreffende Vergehung mit zeitlichen Strafen und Folgen belegt.

 Den Grund der einzelnen Verbote hat man wohl zu suchen in der Absicht, die Störung der moralischen Beziehungen, welche durch solche unnatürliche Ehen eintreten würde, zu verhindern, insonderheit handelt es sich um Wahrung des respectus parentelae. Die Unnatur der betreffenden Ehen ist eine gradweise verschiedene, was auch aus der Verschiedenheit der einzelnen darauf gesetzten Strafen hervorgeht: teils Todesstrafe (auch verschärfte), Ausrottung, teils Kinderlosigkeit oder andere Folgen schlimmer Art.

 Der Einwand, als ob die Ehegesetze 3. Mose 18. 20 für nichts mehr als Bestandteile des mosaischen, bürgerlichen Rechtsbuches der Juden und darum als für uns unverbindlich anzusehen wären, ist falsch; sie sind ohne Zweifel zugleich sittliche Anforderungen, die in der ewigen Weltordnung begründet, also für alle Menschen, für alle Zeiten und Verhältnisse gültig sind, immerwährende Geltung haben wie alles derartige Alttestamentliche (Lev. 18,24–30; vgl. § 32 pag. 72). Dabei ist es dem christlichen Urteil überlassen, diejenigen Bestimmungen auszuscheiden, welche rein theokratische Bedeutung haben, also nur für die Juden, nur für ein bestimmtes Volk und Land, nur für bestimmte Zeiten gelten. Dahin gehört die Leviratsehe, Deut. 25, 6 ff.; Ruth 4, 5, welche, obwohl sie göttliche Bestimmung ist, die obigen allgemeinen nicht aufhebt, sondern als eine besondere und einem besondern Zweck eine Zeitlang dienend dahinfällt, während die allgemeine Regel bleibt. Die Ausnahme dient auch zur Bestätigung der Regel und bedurfte des ausdrücklichen göttlichen Befehls. Wenn es richtig ist, daß Herodes das Weib seines Bruders Philippus hatte, der noch lebte (wie Josephus berichtet), so straft Johannes der Täufer nicht nur den Ehebruch, sondern zugleich den blutschänderischen Umgang, und läßt sich sein Haupt abschlagen um seines Zeugnisses willen, Matth. 14, 3 etc. Daß das Neue Testament die Ehegebote des Alten Testaments nicht aufhebt und abschwächt, sondern vielmehr verschärft, zeigt die Rede des HErrn Matth. 5, 28. 32; 19, 19. Wer eins von den kleinsten Geboten des Sittengesetzes aufhebt (und dies ist keins von den kleinsten) und lehrt die Leute also, der wird der Kleinste sein im Himmelreich, Matth. 5, 19.