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Zulassung ehren und respektieren. Ein absolutes Ehehindernis moralischer Art, zum Teil auch mit rechtlichen Folgen, ist die versagte elterliche Einwilligung (Machtvollkommenheit der Eltern nach dem 4. Gebot), vgl. 1. Kor. 7, 36. 37. Daher sind auch heimliche, das heißt ohne Vorwissen der Eltern oder deren wirklich berechtigte Stellvertreter (nicht aber Verwandte, Brüder etc., die das Ansehen in der Familie haben) geschlossene Verlöbnisse, ungültig, verwerflich und aufzulösen. Das ist einstimmige Ansicht und Praxis in der lutherischen Kirche aller Zeiten. Etwas anderes ist es, wenn sie später die Zustimmung der Eltern erhalten. Es ist übrigens auch eine von seiten der Eltern sehr verantwortungsvolle Sache, die Einwilligung zu verweigern. Es geschieht gar oft aus sehr ungöttlichen Gründen. Nichtsdestoweniger bleibt ihr Wille maßgebend und ist Gottes Wille, der eben ein Hindernis daraus macht, vielleicht nach seiner verborgenen Weisheit und Güte. Das im Vorstehenden Gesagte gilt speziell von den Töchtern, 1. Kor. 7, 36–37. Die Söhne sind nicht in der gleichen Weise an den Willen ihrer Eltern gebunden.

 β. Ehehindernisse, welche das Eingehen einer Ehe mit bestimmten Personen hindern (Ehebeschränkungen). Solche bringt die nahe Verwandtschaft. Es ist ein göttliches Grundgesetz, das in der Natur und bei freien Wesen herrscht, daß sich die verwandten Pole abstoßen, die entgegengesetzten anziehen. Die möglichst starke Mischung der Individuen bei einem Geschlecht gibt den besten und kräftigsten Nachwuchs. Aus Heiraten in nahe Verwandtschaft kommt ein schwaches Geschlecht, ja es bewirkt das Aussterben ganzer Familien. Jede solche Heirat ist ein Wagnis, das zwar nicht immer, jedoch nicht selten, durch verkommene Kinder mit mangelhafter Bildung an Leib und Seele gestraft wird.

 Nach sorgfältiger Erhebung stammen die meisten Taubstummen aus den Ehen solch naher Verwandten. Je näher die Verwandtschaft, desto größer ist die Verhältniszahl taubstummer oder sonst gebrechlicher Kinder (Vortrag des Gelehrten Baudin in der Akademie der Wissenschaften zu Paris). Ähnliche Erfahrungen macht man bei Feststellung der Abstammung blöder Kinder. Sehr häufig kommen aus Ehen mit Geschwisterkindern blöde Kinder. Das ist eine von Gott aufgestellte Warnungstafel aus der Erfahrung. Doch sind nicht alle nahen Verwandtschaften absolute Ehehindernisse. Die auf- und absteigende Linie Vater – Tochter – Enkelin; Mutter – Sohn – Enkel war schon bei den Heiden eine unübersteigbare Schranke, und Vergehen dieser