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auf natürliche oder übernatürliche, mittelbare oder unmittelbare Weise ihren Ursprung von Gott haben und ausdrücklich von Gott sanktioniert sind. Jede dieser Gemeinschaftsformen hat ihre eigne Ordnung und ihre sich von allen andern unterscheidende Form. Diese Ordnung ist eine göttliche, mittelbar oder unmittelbar, und bildet eine wohlthätige Schranke für den einzelnen, die er ohne Sünde nicht überschreiten kann, – eine stetige Übung in der Verleugnung seiner selbst. Aber nicht bloß das, sondern sie legt ihm auch besondere Pflichten auf, in deren Erfüllung er zur Ausbildung der betreffenden Tugenden kommt. Die genannten Gemeinschaftsformen beschränken und fordern aber nicht bloß, sondern geben und gewähren auch etwas, sie geben Rechte und Vorteile und haben als Gemeinschaftsganzes ihre Aufgaben und Verpflichtungen gegen ihre einzelnen Glieder. Wir haben hier eine gegenseitige Relation, ein Wechselverhältnis, des einzelnen Gliedes zum Ganzen und des Ganzen zum einzelnen Gliede. Da der Mensch zur Gemeinschaft geschaffen ist, so kann der einzelne ohne die Gemeinschaft seine Lebensaufgabe nicht erfüllen und nicht zu seiner Vollendung kommen; ja die ganze Menschheit kann ihr Ziel nicht erreichen, weder zeitlich noch ewig, ohne die Gemeinschaftsformen. Darum verlangen sie die volle Hingabe des einzelnen an sie und erzeugen so im günstigen Falle die Tugend des Gemeinsinns, welcher eine Frucht der Entselbstung ist. Jedoch ist die den einzelnen der Gemeinschaft gegenüber gestellte sittliche Aufgabe nur dann recht gefaßt, wenn als unabänderlicher Grundsatz feststeht: die wahre, ewige Wohlfahrt des einzelnen steht höher als die äußere, zeitliche, irdische, vorübergehende Wohlfahrt des Ganzen, tritt mit dem wahren Wohl der Gemeinschaft weder in Konkurrenz noch in Widerspruch und darf dem Ganzen der Gemeinschaft nie zum Opfer gebracht werden, wenn auch sonst Gut und Blut der Gemeinschaft zum Opfer fallen müssen. Sollte es geschehen, daß der einzelne zum Wohl des Ganzen moralisch zu Grunde ginge, so wäre dies der göttlichen Absicht widersprechend, welche die genannten Gemeinschaftsformen zum Förderungsmittel für das Wohl des einzelnen hat geben wollen. So herrliche Beispiele voll aufopferndem Gemeinsinn das heidnische Altertum auch aufzuweisen hat, so geht doch seine Anschauung dahin, daß der einzelne im Gemeinwesen auf- und untergehen müsse. Der Apostel Paulus streift mit dem Heroismus seiner Liebe an die Grenze dieses verwehrten Gebietes, nämlich des Aufgebens des eignen Heils zu Gunsten seiner Brüder nach dem Fleisch, aber nur