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lediglich in seinem freien Willen steht, ob und wieviel er davon mitteilen will. Der göttliche Wille will es, die Liebe gibt dazu den Antrieb, Gesetz, Regel und Maß (2. Kor. 8, 12). Die Liebe soll nach Gottes Willen den Unterschied zwischen reich und arm, wenn auch nicht ausgleichen, so doch mildern und erträglicher machen (2. Kor. 8, 14). Bekommt die Gabe die Beziehung auf Gott, so wird sie zum Opfer: „Wohlzuthun und mitzuteilen vergesset nicht, denn solche Opfer gefallen Gott wohl“ (Hebr. 13, 16). So ist es zunächst die Tugend der Wohlthätigkeit oder Milde, eine Art der Barmherzigkeitserweisung. Diese Tugend gefällt Gott und hat besondere Verheißung, Luk. 6, 38. Gegenstand der Barmherzigkeit ist der Arme, Elende, der uns von Gott durch die Umstände nahe gebracht ist, Nächster, besonders aber die Hausgenossen, 1. Tim. 5, 8, und Glaubensgenossen, die Brüder, Gal. 6, 10; 1. Joh. 3, 17; Jak. 2, 15. (Es gilt aber nicht allein die leibliche Not des Nächsten ins Auge zu fassen, sondern vor allem seine Seelennot cf. oben). Dahin gehören auch die Opfer und Gaben, die man in Zeiten der Not oder aus Liebe zur Wohlfahrt der Gemeinschaft dem Vaterlande darbringt. Man kann aber nicht allein mit Geld und Gut, sondern auch mit andren Gaben Leibes und der Seele dem Nächsten dienen, 1. Petr. 4, 10) und es ergibt sich daraus die Tugend der Dienstfertigkeit, welche so sehr zur Erbauung und Förderung der Gemeinschaft beiträgt. Wie wichtig ist oft ein kleiner Dienst und welche Belohnung ist darauf gesetzt, Matth. 10, 40–42! Eine höchst nötige und förderliche Übung der Barmherzigkeit ist die Gastfreundschaft (1. Petr. 4, 9; Hebr. 13, 2), welche für das Reich Gottes besondere Bedeutung hat, die reichlich geübt, aber von der anderen Seite nicht gemißbraucht werden soll.

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 Die Tugend der Wohlthätigkeit und des Gebens verlangt beständige Übung, daher Almosengeben zu den guten Werken im engsten Sinn des Worts oder zu der asketischen Übung gehört, Matth. 6, 1–4; Akt. 9, 36; 10, 31) und Einfalt der Gesinnung, wenn das Thun nicht seelenschädlich werden soll. Die christliche Kirche übt aber die Wohlthätigkeit nicht bloß privatim und vereinzelt, sondern in Gemeinschaft und macht daraus eine organisierte Liebesthätigkeit, welche die zweckmäßigste und fruchtbringendste Art der Liebeserweisung ist. Das ist die Diakonie oder κοινωνία, wie sie in der apostolischen Zeit erst in Jerusalem, Akt. 4, 32–36, in nicht allgemein