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des Nächsten decken, ohne jedoch der Wahrheit zu nahe zu treten, 1. Petr. 4, 8; 8. Gebot.

 β. Das Rechtsverhältnis. Verhalten des Christen in Rechtsstreitigkeiten mit dem Nächsten. Das Eigentumsrecht beruht auf göttlicher Fügung, der die irdischen Güter nach seinem Wohlgefallen austeilt und einen jeden auf seinem Gebiete geschützt haben will. Die Abgrenzung des Eigentums macht das Recht aus, das jeder von Natur zu bewahren sucht und bei dem die Obrigkeit gesetzt ist, Übergriffe in fremdes Gebiet zu hindern und zu strafen. Ist das Recht streitig, so hat die Obrigkeit zu entscheiden (Rechtsprechen). Ungewißheit der Rechtsgrenze oder Habsucht bringt Rechtsstreite (Prozesse) hervor. Solche darf der Christ führen, wenn er eine gerechte Sache und eine Pflicht hat. In den meisten Fällen aber ist es weiser und vorteilhafter, nachzugeben und sich gütlich zu vergleichen. Der Christ soll nicht auf sein Recht pochen, sondern nachlassen um des lieben Friedens willen (für beides cf. Akt. 22, 25 ff., Matth. 5, 40 ff.). Wenn der Christ auch mit gutem Gewissen einen Rechtsstreit führen kann, so ist er doch kein Prozeßkrämer, der das Rechthaben zu seinem Abgott macht und um desselben willen, d. h. um Recht zu behalten, alles dran setzt, auch Hab und Gut, das Wohl der Familie, Leben und Seligkeit. Unter Christen rät der Apostel Schiedsgerichte von Glaubensgenossen an, die frei gewählt sind. Noch viel lieber soll der Christ Unrecht leiden und sich übervorteilen lassen (1. Kor. 6, 1–8; Matth. 5, 39–41). Es ist besser Unrecht leiden, als Unrecht thun. Überall auf seinen Vorteil sehen, verdirbt den Charakter und macht schmutzig. Es ist Geiz und Habsucht, die auch den Beinamen „schmutzig“ führen und eine Wurzel aller Übel sind und die gemeinste Sünde (1. Tim. 6, 10; Luk. 12, 15). Die entgegengesetzte Tugend ist die Genügsamkeit (Hebr. 13, 5) und die Liebe zur Armut, auf die man, weil sie Christus erwählt hat und weil sie viele Vorzüge hat, ein großes Lob häufen könnte (Luk. 6, 20).

 γ. Wie der Christ mit seinen Gütern dem Nächsten, der Gemeinschaft dienen soll. Welche Forderung die Not des Nächsten an den Christen stellt. Gott hat dem Menschen Güter gegeben, daß er sie zu seiner Notdurft brauche, aber nicht ausschließlich. Es sind auch andere mit ihrer Notdurft auf seine Güter angewiesen, deren Verwalter, nicht Eigentümer er ist. Es ist eines jeden Christen Gut im gewissen Sinne Gemeingut, doch so, daß es