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die ihm von Gott angewiesene Berufsstellung als eine göttliche Schranke anzusehen, die er gewissenhaft einzuhalten hat (Luk. 12, 13–14). Das Eingreifen und die Einmischung in fremden Beruf ist Sünde (1. Petr. 4, 15). Das gibt Verwirrung und Streit. Ordnung aber bringt Frieden. Es ist aber ferner die Aufgabe des Christen in dieser Gemeinschaft, mit seinen Gaben, ohne daß er den nächsten Zweck außer Augen zu setzen braucht, die Sorge für seinen eigenen Lebensunterhalt, seinem Nächsten und dem Ganzen zu dienen (manus manum lavat), 1. Petr. 4, 10.

 Der Christ gehört aber nicht nur natürlichen Gemeinschaften an, er ist auch ein Glied des Gnadenreiches, ein Glied der geistlichen Gemeinschaft der Kirche. Auch hier gibt es Ordnungen, Aufgaben, Kräfte und demgemäß auch verschiedene Berufe irdisch-geistlicher Art. Röm. 12, 1–8; 1. Kor. 12 u. 14; Eph. 4, 11–16 (irdisch-geistlicher Art, soweit diese Berufe diesseitig). Dies ethische Verhalten in Bezug auf diese Berufsarten ist dasselbe, wie es für die Stellung zu dem irdisch-natürlichen Beruf des Nächsten gefordert wird.

 In den verschiedenen Gemeinschaften finden sich Verhältnisse der Über- und Unterordnung. Über das Verhalten des Christen, soweit solche in Betracht kommen, ist im allgemeinen zu sagen, daß es besteht in Ehrfurcht und Gehorsam (doch in den Grenzen des Wortes Gottes, Akt. 5, 29) einerseits, in Achtung des Rechtes und der Ehre des Geringeren und der Fürsorge für ihn (1. Kor. 12, 21–25; Eph. 6, 1–9; 1. Petr. 5, 1–5) andererseits. Das Genauere siehe im folgenden Abschnitt.

 Zweitens handelt es sich um die gesellschaftliche Stellung des Nächsten resp. seine Stellung und Geltung in der christlichen Brüderschaft, um seine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, natürlicher und geistlicher Art. Die Pflege der Gemeinschaft im täglichen Verkehr, Achtung der Menschennatur, sonderlich der erlösten und geheiligten, bei allen, Wohlwollen und Gerechtigkeit gegen alle, denen man nahe kommt, muß das unverbrüchliche Gesetz für den Christen sein im Umgang mit Menschen. Da aber die ganze menschliche Gemeinschaft von gegenseitigem Mißtrauen und gegenseitiger Geringschätzung von wegen der vielen Mängel, Sünden und Gebrechen aller, sowie von den Bestrebungen, dieselben unter falschem Schein zu verdecken und zu verbergen, angefressen ist, so thut es vor allem not, einmal, daß gegenseitig die Wahrhaftigkeit herrsche, und ebenso die tragende und