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 Die Heuchelei setzt natürlich die Erscheinungsform der Frömmigkeit, die in eifriger Teilnahme am Gottesdienst besteht, herunter zum Lippenwerk. Was das Bekenntnis anlangt, so ist die Abweichung und Verirrung hier Indifferentismus, welcher in milder Form das Bekenntnis aus Furcht vor Menschen, mit Rücksicht auf Menschen nicht in klarer Form gibt, ja es sogar unterläßt, verleugnet. Wenn der Eid ein Gottesdienst ist, so ist klar, daß die Heuchelei auf diesem Gebiet die schreckliche Sünde des Meineids ist. Hierher gehört auch das unheilige Fluchen und die Zauberei, mit dem falschen Eid die gräßlichste Art der Lüge mit Gottes Namen. Zum völligen Abfall von Gott, zum Materialismus führt die Heuchelei, wenn sie zur Sünde des Kreaturendienstes, des Bauch- und Wollustdienstes wird. Weil der Mensch etwas haben muß, eine Religion, zu der er angelegt ist, wird die Gottlosigkeit, der Atheismus zum Teufelsdienst, und somit das Ebenbild Gottes in sein Gegenteil verkehrt, in ein Scheusal. 2. Petr. 2.


§ 49.
Das Verhältnis des Christen zu sich selbst.

 1. Allgemeines. Der Mensch ist für Gott geschaffen und für andere, die Gemeinschaft, ist aber zugleich als freies sittliches Wesen auch Selbstzweck. Die sittliche Weltordnung verlangt eine Unterordnung des Menschen unter Gott. Ist der Mensch wieder Gott unterthan und ihm durch die Gemeinschaft mit ihm eingegliedert, dient er ihm in Frömmigkeit (§ 48), so ist die verkehrte Stellung beseitigt, nach der sich der Mensch durch den Sündenfall über Gott gesetzt hat, ja zu Gott erhoben und sich selbst zum Mittelpunkt seines Lebens und Wesens gemacht hat, die Selbstsucht. „Du sollst lieben Gott deinen HErrn u. s. w. und deinen Nächsten als dich selbst.“ Die Selbstliebe in der rechten Unterordnung unter die Liebe Gottes ist der Maßstab für die Nächstenliebe. Erst muß der Mensch, der Christ seine eigene Lebensaufgabe lösen, oder in einem gewissen Maße gelöst haben, ehe er die Aufgabe, die er an andern hat, recht lösen kann.

 2. Die Wesensbestandteile der Person, Leib und Seele und ihr Machtgebiet, darin sie waltet, die irdischen Güter. Die Einheit und richtige Unterordnung der Güter und Lebensbeziehungen.

 Auch die Seele mit ihren Kräften und der Leib mit seinen