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wo der Eid in der bürgerlichen Gesellschaft nicht nur als recht, sondern sogar als ein Gottesdienst bezeichnet wird; Deut. 6, 13; 10, 20. Wäre der Eid nach mennonitischer und anderer Anschauung nicht erlaubt, so wäre ja Gott wankelmütig, daß er das eine Mal etwas gebietet, das andere Mal aber verbietet. Schon dadurch richtet sich diese Anschauung. Übrigens schwört der HErr ja selbst, um den Glauben des zweifelnden Menschen zu stärken und fest zu machen, Hebr. 6, 17-18; Luk. 1, 73; vgl. auch Matth. 26, 63–64. Deshalb ist es ein irrendes Gewissen, wenn etliche die Eidesleistung verweigern.

 Der Eid ist aber eine heilige Sache, deshalb sollte der Eid nur bei wichtigeren Dingen abgenommen werden. Es gibt zweierlei Eid: den promissorischen – versprechenden – und den assertorischen – Zeugen-, Reinigungseid. Es ist aber nicht die Meinung, daß man sich durch einen versprechenden Eid unter allen Umständen unlöslich binde; dem ist nicht so, sondern sowie der Eid etwas wider Gottes Gebot verlangt, fällt er dahin und verliert seine bindende Kraft (zur Beruhigung ängstlicher Gewissen). Der Mensch setzt beim Eid seine ganze zeitliche und ewige Existenz ein, weshalb man die beim Landvolk herrschende Anschauung: „Gott verschworen, alles verloren“ nicht unvorsichtig bekämpfen darf, denn wiewohl noch Buße beim Meineid möglich ist, da Gott allein die Sünde wider den heiligen Geist als unvergebbar bezeichnet, so muß man doch auch sagen, daß der wissentliche Meineid schon auf dem Weg zur Sünde wider den heiligen Geist liegt und die Seligkeit ernstlich in Frage stellt, wie ja auch oft ein Meineidiger schnell von Gottes Gericht erreicht wird. Man darf jedoch auch nicht strenger als Gott sein und diese Sünde als unvergebbar hinstellen (cf. den falschen Eidschwur St. Petri Matth. 26, 74–75).

 4. Wie das Ebenbild Gottes in den genannten Punkten zur Erscheinung kommt oder, was dasselbe ist, die Frömmigkeit oder Gottseligkeit in allen ihren allgemeinen Formen (im innern und äußern Gottesdienste, in der Bekenntnistreue), wie in den besondern (im Martyrium, beim Eid, sogar auch beim Gelübde), sieht der Christ an dem vollkommenen Vorbilde Jesu Christi und seiner Zeugen. Das ganze innere und äußere Leben Jesu ist eine Darstellung lauterer und einfältiger Frömmigkeit, ein Versenktsein in die Liebesgemeinschaft mit seinem Vater, ein stetiger Gebetsumgang mit ihm, eine stetige Aufopferung seiner selbst bis zum Kreuze, ein priesterliches Thun und Walten, ein Gottesdienst; sein Ziel kein anderes als Gründung, Erbauung